Kommentar Bremer Zwangseinweisungen: Besser stoppen als aufbereiten

In Bremen haben sich Staatsanwaltschaft, Psychiatrie und Richter zu einem Wegschließkartell zusammen getan. Dem muss Einhalt geboten werden.

Eine Hand greift an eine Tür mit mehreren Schlössern.

Zwangseinweisungen kommen in Bremen exorbitant oft vor Foto: dpa

Gut ist es und richtig, den historischen Missbrauch psychiatrischer Einrichtungen aufzuarbeiten. Noch wichtiger wäre jedoch, ihn zu unterbinden: Zum Beispiel dort, wo die Zwangseinweisung als Strafmittel missbraucht wird von Richtern, die sich anmaßen, ärztliche Anweisungen zu erteilen, statt Recht zu sprechen. So etwas kommt meist – die Sowjetunion war berüchtigt dafür – in Unrechtsregimen vor. Aber auch in Bremen, wie jetzt der Beschluss des Bundesgerichtshofs im Fall von Maike S. verdeutlicht.

Dass Bremen, in den 1970er-Jahren Vorreiter einer humanisierenden Psychiatriereform, heute vor allem durch exorbitante Zwangseinweisungsziffern auffällt, hat mit einem allzu gut funktionierenden Zusammenspiel von Staatsanwaltschaft, städtischer Psychiatrie und selbstherrlichen Richtern zu tun. Statt einander wechselseitig zu kontrollieren, um das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit und die Rechte der Einzelnen in Ausgleich zu bringen, tun die sich zu einem Wegschließkartell zusammen, das als schäbig zu bezeichnen untertrieben wäre: Diese Trias ist gefährlich.

Für ein Unrechts-, oder gar nur ein Problembewusstsein ist in solchen Kumpel-Netzwerken kein Platz. Wenn Medien wie die taz wagen, das obszöne Gebaren einschlägiger Richter zu thematisieren, lassen die das in ihre pseudomedizinischen Diagnosen einfließen: Der journalistische Zuspruch bestärke die Angeklagten in ihrem Wahn heißt es dann. Und sie werden weggesperrt.

In Wirklichkeit macht diese Spruchpraxis aus Bremen eine Sonderrechtszone, in der Grundgesetz und Menschenrechte nur je nachdem Geltung haben. Und wo Kontrolle versagt: Folgenlos hatte schon das Bundesverfassungsgericht Bremen deshalb gerügt. Jetzt bestätigt der Bundesgerichtshof den Eindruck: Das Bremer Landgericht schickt Leute in die Forensik, ohne auch nur Anhaltspunkte zu nennen, dass befürchtete Gewalttaten von ihnen zu erwarten wären.

Zu befürchten ist, dass auch das den zuständigen Richter nicht beeindruckt. Anhaltspunkte dafür, dass er sein Tun fortsetzt, gibt es in Fülle. Not täte jemand, der ihm Einhalt gebietet. Und bitte bevor eine Historikerkommission es aufarbeitet.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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