Ministerin Espinosa über Yasuni-Projekt: "Das wäre unklug"

Entwicklungsminister Dirk Niebel will das Yasuni-Projekt nicht unterstützen. Ecuador verliert viel Geld, aber Deutschland das Gesicht, sagt Ministerin Maria Espinosa.

Waorani-Frau im Yasuni National Park. Bild: ap

taz: Frau Espinosa, Ecuador will auf die zerstörerische Ölförderung im Yasuni-Dschungel verzichten, wenn es dafür die Hälfte der entgangenen Erträge bekommt, rund drei Milliarden Dollar. Wie garantiert Ecuador, dass es wirklich für immer auf die Ölförderung dort verzichtet?

María Espinosa: Wir garantieren dies politisch und finanziell. Das Geld wird in einen UN-Treuhandfonds fließen. Ecuador hat sich rechtlich verpflichtet, das gesamte Geld zurückzuzahlen, sollte das Öl in Yasuni, was ich nicht hoffe und glaube, doch irgendwann gefördert werden. Das ist vertraglich mit der UN fixiert.

Ist diese Garantie wasserdicht?

Ja, es gibt keine Möglichkeit, diese Verpflichtungen nicht zu erfüllen.

Offenbar traut Entwicklungsminister Dirk Niebel dieser Garantie nicht.

Dazu gibt es keinen Grund.

Glauben Sie, dass es trotz Niebels Rückzieher noch eine Chance gibt, dass Deutschland sich an der Yasuni-Initative beteiligt?

Deshalb bin ich hier. Deutschland war von Anfang an der größte Unterstützer der Yasuni-Initiative. Mein Besuch hier sollte dazu dienen, Deutschland dafür zu danken und über alle Details des UN-Treuhandsfonds zu informieren. Denn die Bildung dieses Fonds war eine Empfehlung der deutschen Regierung. Deshalb haben wir den Manager der 35 UN-Treuhandfonds mitgebracht. Wir haben hier mit Entwicklungspolitikern aller Fraktionen im Bundestag geredet. Alle Parteien unterstützen das Yasuni-Projekt, auch die FDP.

Niebel hat zuvor in einem Brief an eine grüne Parlamentarierin erklärt, dass Deutschland Yasuni nicht unterstützen wird....

Ja, ich weiß. Für Ecuador ist entscheidend, dass die deutsche Regierung uns am 21.9. erklärt hat, dass sie noch offene Fragen sieht und bis zu deren Klärung nicht zahlen wird. Ich denke, dass wir diese Fragen solide beantwortet haben.

Haben Sie Minister Niebel getroffen?

Nein. Wir hatten ein Treffen im Ministerium mit dem Abteilungsleiter. Offenbar zweifelt man im Ministerium, ob wir bei den Ölvorräten von richtigen Zahlen ausgegangen sind. Aber die Zahl von 900 Millionen Barrel liegt weit unter den meisten Schätzungen. Der Chef der UN-Treuhandfonds sagt zudem, dass kein anderer Fonds durch so viele Studien gestützt ist. Es gab unendlich viele skeptische Einwände und Anregungen, von Wissenschaftlern und NGOs, von Regierungen und Ölkonzernen. Wir haben auf alles reagiert. Sogar die OPEC unterstützt das Yasuni-Projekt inzwischen.

(46) ist Ministerin für das Kultur- und Naturerbe in Ecuador. 2007 war die Linguistin, Geografin und Anthropologin Außenministerin im Kabinett von Raffael Correa.

Sind Sie enttäuscht von Deutschland?

Ich möchte die deutsche Politik nicht kommentieren. Wir haben jedenfalls ein Interesse an Verlässlichkeit und Kontinuität in der Außenpolitik.

Was passiert, wenn Deutschland nicht in den Fond einzahlt? Ist das das Ende der Yasuni-Initiative?

Nein, keineswegs. Nach den neuen Vorbehalten aus Deutschland haben wir letzten Freitag während der UN-Generalversammlung in New York ein kleines Treffen zu Yasuni einberufen. Es kamen viel mehr Interessenten als erwartet, sieben Außenminister, einige Staatssekretäre aus Italien, Spanien, Portugal, Kanada, Chile, Südafrika und Indien. Das zeigt: Unser Vorschlag hat politischen Drive. Und wir haben verbindliche Angebote für finanzielle Unterstützung bekommen.

Welche konkret?

Ich kann da nicht vorgreifen. Aber seien Sie sicher: Es werden sich mehr Staaten an dem Fonds beteiligen.

Niebels Argument lautet: nur Deutschland zahlt.

Das wird bestimmt nicht geschehen. Umgekehrt gilt: Falls Deutschland sich wirklich zurückzieht, wäre das äußerst bedauerlich. Gerade die deutsche Unterstützung hat uns motiviert, das Projekt voranzutreiben. Deutschland hat dafür auch viel internationale Anerkennung bekommen. Es wäre unklug, dieses politische Kapital zu verschenken. Wenn Deutschland sich zurückzieht, dann verliert Ecuador Geld. Deutschland verliert noch mehr.

Wird es in Ecuador wegen des deutschen Ausstiegs einen Backlash für das Yasuni-Projekt geben? Die Industrie dort hat ja den Plan, das Öl zu fördern, nicht aufgegeben.

Die Ölfirmen machen schon seit langem Druck. Es geht ja um sehr viel Geld, mindestens sieben Milliarden Dollar, die die Ausbeutung bringen würde.

Ein besseres Argument als Niebels Rückzieher kann sich sich die Öllobby in Ecuador kaum wünschen.

Vielleicht. Aber wir kennen den Druck dieser Lobby. Und ich glaube nicht, dass Niebels Absage das Szenario grundsätzlich verändert hat. Es war uns immer klar, dass dieses Projekt nicht einfach wird. So etwas gab es noch nie. Aber jeder Widerstand verdoppelt und verdreifacht unsere Anzustrengungen.

80 Prozent der Ecuadorianer unterstützen das Yasuni-Projekt, trotz der Armut und obwohl es dem Land ein paar Milliarden Dollar kosten wird. Woher diese breite Unterstützung?

Weil alle - die Armen, die im Amazonasgebieten leben, aber auch die Mittelklasse - die verheerende Geschichte der Ölförderung in Ecuador kennen.

Sind Sie sicher, dass Präsident Correa dem Druck der Öllobby widerstehen wird, wenn nicht bald Geld in den Fonds fließt?

Präsident Correa unterstützt die Initiative voll und ganz.

Eigentlich will Correa im November nach Deutschland kommen. Auch wenn Niebels Nein bleibt?

Ich werde Correa über meinen Besuch informieren. Dann wird er entscheiden. Unsere Beziehungen zu Deutschland beschränken sich nicht auf Yasuni. Aber es ist für uns wesentlich. Es geht hier nicht um 100.000 Euro, um Bäume zu pflanzen. Yasuni ist für uns ein zentrales außen- und innenpolitisches Projekt. Und ein wirklich neues Projekt für den Klimaschutz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.