Bilanz nach sechs Monaten iPad: Plunder- oder Wunderflunder?

Apples iPad sollte den Genuss von Inhalten im Netz revolutionieren, in die Zukunft der IT-Geräte weisen und nebenher die Verlagswelt retten. Geklappt hat das bisher nicht.

„... kann es, äh, auch Politik?“ - Bundesforschungsministerin Annette Schavan mit einem iPad. Bild: dpa

Großbritannien ist das iPad zu teuer. Nach einer aktuellen Studie des Preisvergleichsportals Broadbandgenie würden die meisten Inselbewohner die notwendigen 400 Pfund (500 Euro) für das Einstiegsgerät nicht bezahlen. „Es gibt eine klare Botschaft der britischen Konsumenten: Obwohl sie die Idee eines Tablets mögen, wollen sie dafür nicht zu viel bezahlen“, sagt Chefredakteur Chris Marling.

In Deutschland und in den USA will unterdessen der ein oder andere Blogger sein lange ersehntes iPad wieder zurückgeben. Ein Flop ist das iPad jedoch keineswegs. Ein halbes Jahr nach dem Start verkauft Apple noch immer rund 40.000 Geräte pro Tag. Zeit für eine nüchtern-rationelle Betrachtung der Stärken und Schwächen des Geräts.

Fangen wir einfach mal beim Aussehen und bei der Hardware an. Das iPad ist, typisch Apple, elegant, mit Aluminium hinten und Glas vorne. Nichts an dem Gerät ist überflüssig, alles ist aufs Wesentliche reduziert. Dennoch ist die Hardware keineswegs perfekt. 730 Gramm wiegt beispielsweise das UMTS-Modell und ist damit auf Dauer zu schwer, um es in einer Hand halten zu können. Kein Wunder, dass clevere Zubehörhersteller mittlerweile sogar Hüllen mit Handriemen verkaufen. Auch könnte das Tablet etwas flacher sein.

Nach halbjähriger Benutzung fällt der Bildschirm ebenfalls negativ auf. Zwar ist er im Gegensatz zu manchem Konkurrenten hell und gut ausgeleuchtet. Auch die Farben sind kräftig. Aber die Auflösung, insbesondere die Pixeldichte, könnte besser sein. Apple weiß sogar, wie das geht. Beim iPhone 4 wird ein sogenanntes Retina-Display eingesetzt, das 326 Bildpunkte pro Zoll (ppi) erreicht. Die Pixeldichte des iPad liegt bei weniger als der Hälfte.

Das bedeutet, dass man einzelne Bildpunkte sieht, während es beim iPhone 4 fast wirkt, als lese man gedruckten Text. An Amazons Kindle mit seinem papierähnlichen Bildschirm kommt das Retina-Display noch nicht heran, dafür ist er aber nur einfarbig.

Problematisch bleibt beim iPad auch die richtige Lese- beziehungsweise Tipphaltung. Das Gerät neigt dazu, dem Nutzer vom Bauch zu rutschen, wo es wegen seines Gewichts nach einiger Zeit gerne landet. So wird die Benutzung im Flugzeug zum idealen iPad-Umfeld: auf dem Klapptisch kann man das Gerät gut positionieren und an den Vordersitz anlehnen.

Tippen lässt es sich am besten im Porträtmodus, aallerdings nur schrittweise, weil der Bildschirm für eine Doppeldaumenbedienung zu breit ist. Apples Keyboard Dock, eine Ladestation mit eingebauter Tastatur, wirkt überflüssig. Wenn man ein Hardware-Keyboard wollte, hätte man gleich ein Notebook kaufen können und kein Tablet.

Für viele wichtiger als die Hardware ist das, was man mit dem iPad anstellen kann. Dabei stechen vor allem Programme zum Konsum umfangreicherer Text-Inhalte hervor. Instapaper, eine App, mit der man lange Web-Geschichten auch offline lesen kann (wozu man sonst nie kommt), gehört zu den Highlights. Ebenso Amazons Kindle-E-Book-Leseprogramm (wobei es hier vor allem englischsprachige Literatur gibt) und Flipboard, das Neuigkeiten aus den verschiedenen Rubriken und vor allem von Twitter- und Facebook-Bekannten aggregiert.

Weniger überzeugend sind häufig Apps der Verlage. Die USA sind hier noch recht gut - gelungen sind etwa die Anwendungen des “New Yorker“ und die des Technologie-Magazins "Wired“. Auch dort fehlen oft wichtige Bestandteile, die man von den Webseiten kennt, etwa die Anbindung nach außen, die selten über eine Sharing-Funktion bei Facebook hinausgeht. Das multimediale Element, das gerne hervorgehoben wird, ist kaum mehr als eine Spielerei, hinzu kommen technische Probleme. So nimmt die „Wired“-App, weil sie im Grunde nur aus Bildern einzelner Seiten besteht, einen mittelgroßen dreistelligen Megabyte-Speicherplatz in Anspruch. Wer das kleinste (und günstigste) iPad mit 16 GB besitzt, hat auf seinem Gerät schnell keinen Platz mehr.

Die deutschen Verleger bemühen sich redlich, doch vom Hocker hauen einen die Angebote nicht. In Springers „iKiosk“ bekommt man vor allem PDF-Versionen von Print-Zeitungen zu sehen, bei der ansonsten gelungenen App der „Frankfurter Rundschau“ hakt es manchmal beim Umblättern. Beim iPad-"Spiegel“ ärgert man sich schnell über den gelegentlich merkwürdigen Textsatz und die Bilder, die man mühsam großklicken muss. Es scheint, als sei noch immer nicht das Format gefunden worden, mit dem Print-Inhalte digital präsentiert werden können.

Als unproblematisch erweist sich die Abwesenheit der Multimedia-Technik Flash, mit der nach wie vor viele Videos und Online-Spiele im Netz dargestellt werden. Vor und kurz nach dem Start des iPad wurde viel darüber lamentiert, weil Apples Chef Steve Jobs meinte, Flash würde das System ausbremsen und Batterieleistung kosten. Andere Tablets mit Googles Betriebssystem Android, die in diesen Tagen erstmals in größerer Stückzahl verfügbar sind, arbeiten mit Flash.

Der Verzicht auf Flash beim iPad ist auch deswegen halb so schlimm, weil einige große Webangebote wie YouTube und Vimeo inzwischen auf HTML5-Video umgestellt haben - ein Format, das auf dem Gerät funktioniert. Und auf Flash-basierte Spiele kann durchaus verzichten, wer einmal das viel zu große Angebot im App Store gesichtet hat.

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