Die Tottenham-Krawalle von 1985: Vorbildlicher Wandel

Schon einmal löste eine Polizeiaktion in Tottenham Krawalle aus. Damals investierte die Politik massiv in das betroffene Viertel – mit einigem Erfolg.

Es braucht mehr als Polizei, um ein Viertel zu stabilisieren: Polizisten auf der High Road am Tag nach den Ausschreitungen von Tottenham 2011. Bild: dapd

DUBLIN taz | Die Krawalle im Londoner Stadtteil Tottenham in der Nacht zum Sonntag wecken Erinnerungen an 1985. Auch damals war der Auslöser eine Polizeiaktion, bei der ein Mensch ums Leben kam. Die 49-jährige Cynthia Jarrett erlag angeblich einem Herzinfarkt, als vier Polizisten ihre Wohnung stürmten, doch die genauen Umstände sind bis heute ungeklärt.

Auch damals begann es mit einer friedlichen Demonstration, die außer Kontrolle geriet. Am Ende war der Polizist Keith Blakelock tot. Maskierte hatten ihm mit Macheten 42 Wunden zugefügt. Die drei Männer, die 1987 für den Mord zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt wurden, mussten vier Jahre später freigelassen werden, weil die Polizei die Verhörnotizen nachträglich manipuliert hatte.

Seit damals ist die Siedlung Broadwater Farm ein Synonym für Gewalt. Doch es hat sich viel verändert seither. Die Bezirksverwaltung hatte auf dem Gelände 1967 eine Sozialbausiedlung errichtet: mit zwölf Wohntürmen und mehr als tausend Wohnungen, inspiriert von Le Corbusier. Aufgrund von planerischen Fehlern gab es jedoch viele dunkle Ecken und Fluchtwege, die Kriminalität stieg in den siebziger Jahren sprunghaft an.

Die Bezirksverwaltung gab kaum Geld für die Instandhaltung aus. Die Arbeitslosigkeit lag 1985 bei 42 Prozent, der Mieterverein wurde von Weißen dominiert, obwohl die Hälfte der Bewohner schwarz war. Und die Schwarzen wurden ständig von der Polizei schikaniert, sodass es früher oder später zu Unruhen kommen musste.

Nach den Krawallen blieb das Viertel monatelang von der Polizei besetzt. Doch dann investierte der Staat 33 Millionen Pfund in die Verbesserung der Wohnqualität, der Infrastruktur und der Sicherheit. Heute leben in Broadwater Farm rund 4.000 Menschen mit 39 verschiedenen Nationalitäten. Wollte man früher die Leute schnellstmöglich umsiedeln, ist der Andrang der Wohnungssuchenden heute groß. Broadwater Farm ist eins der sichersten urbanen Viertel weltweit.

Gab es in den drei Monaten vor den Krawallen 1985 noch 875 Einbrüche, 50 Raubüberfälle und 50 tätliche Angriffe, so sind diese Delikte weitgehend unbekannt. Die Krawalle von Samstagnacht in unmittelbarer Nachbarschaft von Broadwater Farm trafen die Polizei deshalb unvorbereitet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.