Social Media Week in Berlin: Zurück zur Oberschichtenkunst

Auf dem "Art & Social Media"-Panel diskutierten nicht die Künstler, sondern die Kunstverwalter. Besucher konnten lernen, dass Social Media Art kaum existiert.

Angestellte der Fluggesellschaft KLM üben Social Media. Bild: dpa

BERLIN taz | Es roch ein bisschen Déjà-Vu am Montag Abend auf der Social Media Week in Berlin. "Art & Social Media" sollte das Thema des Panels sein, wobei Art hier nicht Kunst meint, sondern Bildende Kunst. Malerei, Plastik, so was. Und offenbar ist man in dieser Branche ungefähr so weit, wie man es in der Musik vor zehn Jahren war.

Und wie damals auch üblich, diskutierten nicht die Künstler, sondern die Kunstverwalter: Auf dem Podium saßen fast nur Verwerter, ein Galerist zum Beispiel, eine Online-Editorin, eine Markenstrategin. Als einzige Produzentin hatte sich die sympathisch zurückhaltend-verpeilte Rachel de Joode in die Runde verirrt. Die betonte, wie viel Spaß ihr das mache, dass Leute in Berlin eine ihrer Ausstellungen in Mexiko zumindest mittelbar verfolgen konnten: lebender Beweis für Ben Davis' These, dass Kunst zwar soziale Medien nutzt, Social Media Art aber so gut wie nicht existiert.

Dem Rest ging es vornehmlich ums Business, darum, wie man Aufmerksamkeit herstellt und wie man den Verkauf organisiert. Das ist ein Grundwiderspruch, den Kunst schon immer in sich trug. Dem Kunstschaffenden geht es vornehmlich um Aufmerksamkeit, darum, wahrgenommen zu werden. Dem Kulturschaffenden geht es um die Schaffung eines Bedürfnisses, darum, – am besten dauerhaft – zu verkaufen. Dem Künstler geht es um ein Werk, dem Galeristen um die Marke.

Das ist eine idealtypische Trennung, die so klar in der Realität nicht vorkommt. Trotzdem existiert sie in Abstufungen, und eines der urtümlichen Versprechungen von Social Media war, diesen Widerspruch aufzuheben: Dass also von der Aufmerksamkeit ein direkter Weg zur Finanzierung führt. Wer beliebt genug ist, wer ein Publikum findet und ein Bedürfnis befriedigt, wird durchaus sein Auskommen finden.

Man bezahlt für das Medium

Das hat in der Musik einigermaßen funktioniert, ist aber kein Rezept für jede Kunst. Der Widerspruch lautet tatsächlich so: Man bezahlt nicht für die Kunst, nicht für Musik, nicht für die Literatur, sondern für das Medium, für die Möglichkeit, Musik zu hören oder Literatur zu lesen. In der Musik ist das unproblematischer, viele kleine Bands oder auch DJs überleben durch Gigs und Auftritte, genauso wie die Literaten auch von ihren Lesetouren leben.

Der Einbruch des Netzes, der digitalen Ära hat zu einem Preisverfall der Trägermedien geführt. Darüber hätte man gerne etwas gehört: Wie wollen es Fotografen und bildende Künstler anstellen, diesen Wertverlust wieder auszugleichen? Was ist da das Rezept?

Diese Herausforderung ist drängender denn je. Gerade erst ist sensationell die Piratenpartei ins Abgeordnetenhaus eingezogen, eine Partei, die wie keine andere den Umgang mit sozialen Medien beherrscht. Eine Konsequenz aus dieser Kompetenz ist ihre Forderung, den Urheber eines Werkes zehn Jahre nach Veröffentlichung zu enteignen. Im Wahlkampf hörte man auf die Frage, wie man sich das denn vorzustellen habe, nur: Dann müssten sich Kunstschaffende eben wieder Mäzene suchen. Zurück zur Oberschichtenkunst, zurück ins 18. Jahrhundert.

Eva Kaczor von den private curators vertrat am Montag Abend eine andere Vision: Sie sagte, man müsse das Netz nutzen, um durch neue Plattformen, durch mehr Informationen Bedürfnisse zu wecken – und daraus dann Kapital schlagen.

Jedem Töpfchen sein Deckelchen

Das ist das zweite Versprechen von Social Media: Wenn es gelingt, findet jedes Töpfchen sein Deckelchen, jeder Künstler das ihm angemessene Publikum. Folgerichtig kam sofort aus dem Publikum die Frage, ob man daraus nicht schließen könne, dass die Vermittler sich nach und nach aus der Beziehung Künstler-Publikum verabschieden, ob also Galerien überflüssig würden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Künstler (wieder idealtypisch gesprochen) zu seinem eigenen Vermarkter wird.

Diese Perspektive hat sehr viele Anhänger in jüngeren und in netzaffinen Kreisen, die es gewohnt sind, dass Kunst zu ihrer Verfügung steht, sozusagen alles Streetart ist. Exklusivität und Urheberschaft, lange Zeit Kennzeichen professioneller Kunst, spielen dann keine nennenswerte Rolle mehr. Wenn aber der Künstler sein eigener Vermarkter wird, wenn er seine Kunst als Dialog mit dem Publikum anlegt, geht diese Aura flöten. Stattdessen erwirbt sich der Künstler Reichweite.

Denn noch hält der Staat mit seinem Förderbollwerk dagegen, aber in Zeiten der Krise wird gerne an der Kunst gespart; es ist die Zeit der Unternehmen, und die sozialen Medien verstärken diesen Prozess. Die Zukunft könnte dann so aussehen, dass Künstler sich Glaubwürdigkeit und Anhängerschaft zusammentragen, um die dann an Firmen und Konzerne weiterzureichen. Sponsoring statt Mäzenatentum: Das mag in Zukunft nicht die einzige Form sein, aber sie könnte bahnbrechend sein.

Da hätte man mal drüber sprechen können.

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