Internationaler Forschungsreaktor: Kohle für Fusion

Europa fehlt Geld für seinen internationalen Forschungsreaktor Iter. Kritiker halten das Projekt für ein Fass ohne Boden. Mittel aus dem Agrarhaushalt sollen das Loch nun stopfen.

Abgeschirmter Prunkbau: Der internationale Forschungsreaktor in Saint-Paul-lès-Durance in Südfrankreich. Bild: dpa

BERLIN taz | Am 15. Oktober geht das Agrar-Haushaltsjahr der Europäischen Union (EU) zu Ende, die gute Nachricht: 1,7 Milliarden Euro bleiben in den Fördertöpfen übrig. Deutschland stünden 20 Prozent des Betrags zu. Normalerweise wird dieses Geld an die Mitgliedsstaaten zurücküberwiesen. Der Haushaltsausschuss des EU-Ministerrats hat aber beschlossen, 450 Millionen Euro umzuleiten und in den Bau des internationalen Forschungsreaktors Iter in Frankreich zu stecken.

Weitere 190 Millionen Euro sollen aus dem Etat für Verwaltung an Iter gehen. EU-Parlament und -Kommission müssen noch zustimmen. Das geht aus Protokollen hervor, die der taz vorliegen. Insgesamt fehlen der EU für Iter 1,3 Milliarden Euro, die Gesamtkosten betragen circa 16 Milliarden Euro. 45,5 Prozent trägt die EU, sie hat ihren Beitrag allerdings auf 6,6 Milliarden gedeckelt.

Iter gilt neben der Internationalen Raumstation ISS als das teuerste wissenschaftliche Experiment aller Zeiten. Die Baukosten sind von ursprünglich geplanten 5,3 Milliarden Euro auf heute geschätzte 16 Milliarden gestiegen. 45,5 Prozent davon sollte die Europäische Union tragen, hat ihren Beitrag allerdings auf 6,6 Milliarden gedeckelt und setzt auf Einsparungen. Jeweils rund neun Prozent zahlen China, Indien, Japan, Südkorea, Russland und die USA.

Eigentlich sollte der Reaktor 2019 in Betrieb gehen, allerdings kann Japan wegen der Zerstörungen durch das Erdbeben in diesem Jahr seine Komponenten nicht rechtzeitig liefern. Dafür wird nun Südkorea einspringen, dennoch verzögert sich das Projekt um mindestens ein Jahr. Die Wissenschaftler wollten zeigen, dass die Fusion von Atomkernen technisch so beherrschbar ist, dass daraus nutzbare Energie gewonnen werden kann. Das Versprechen: Ein Iter-Nachfolger soll circa 2050 kommerziell Strom liefern.

Ob das allerdings jemals funktionieren wird, bezweifeln viele Kritiker. Politisch versuchen vor allem die Grünen, das Projekt zu stoppen. Iter sei ein "Fass ohne Boden", kritisiert die Grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. "Es ist höchste Zeit, dass sich die EU aus dem Projekt Iter zurückzieht", fordert sie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.