Tragikkomödie „Wer weiß, wohin“: Einfältige Utopie

Der Film "Wer weiß, wohin?" der libanesischen Regisseurin Nadine Labakilöst Konflikte mit Haschkeksen und Go-go-Girls statt bösartigen Witzen. Schade.

Was tun, wenn Frieden unmöglich scheint? Sollen sich doch alle Beteiligten gehörig zukiffen, dann lösen sich die Konflikte von alleine. Bild: Tobis

Das Dorf ist nicht ganz von dieser Welt. Eine schmale Brücke spannt sich über eine tiefe Schlucht; sie ist der einzige Verbindungsweg zu einem Draußen, in dem alles aus den Fugen ist. Denn dort draußen, im übrigen Libanon, herrscht Bürgerkrieg. Überall im staubigen Boden liegen Minen, Scharmützel können jeden überraschen, der es wagt, das Dorf zu verlassen. Auf dem Friedhof gibt es viele Gräber, darin liegen junge Männer, die im Kreuzfeuer starben.

Seiner Unwahrscheinlichkeit wegen erinnert dieses Dorf ein wenig an ein imaginäres Dorf namens Macondo im Dschungel Kolumbiens. Gabriel García Márquez hat es 1955 zum ersten Mal beschrieben, als die Nachwehen eines Bürgerkriegs die ländlichen Gebiete unsicher machten; zu den Eigenheiten Macondos gehört, dass die Zeitläufte zwar nicht daran vorbeigehen, wohl aber verspätet und verzerrt ankommen und von den Bewohnern anders ausgelegt werden als anderswo.

Naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten gelten hier nicht mit der selben Verlässlichkeit wie andernorts, was dem Alltag gelegentlich etwas Wundersames verleiht. Das libanesische Gegenstück hat sich die Schauspielerin und Regisseurin Nadine Labaki ausgedacht; sie lässt hier ihren zweiten Film, die Tragikomödie „Wer weiß, wohin?“, spielen. Bei ihr besteht das Wunder darin, dass die christlichen und die muslimischen Bewohner in Eintracht und Frieden zusammenleben.

Käme nicht der Tag, an dem der alte Fernseher der Bürgermeistersgattin zum Laufen gebracht wird. Kaum sehen die Dörfler die ersten Nachrichten, in denen von religiösen Feindseligkeiten die Rede ist, reicht eine Nichtigkeit, um muslimische gegen christliche und christliche gegen muslimische Nachbarn aufzubringen. Das Altarkreuz bricht durch eine Ungeschicklichkeit in Stücke, Ziegen dringen in die Moschee ein, ein Kind spielt einen Streich, und die eben noch im Teehaus traulich beieinander sitzenden Männer holen die Handfeuerwaffen aus den Verstecken.

Die schöne Teehauswirtin

Gegen die jäh ausbrechende Aggression setzt Labakis Film eine einfältige Utopie: Die Frauen, gleich ob christlichen oder muslimischen Glaubens, nehmen am Kriegstreiben nicht nur nicht teil, sie versuchen zudem mit List und Tücke, die aufgebrachten Männer zu besänftigen.

Nachdem all ihre Finten versagt haben (nicht einmal die groben Reize ukrainischer Go-go-Girls lenken die hitzköpfigen Männer ab), backen sie tapfer Haschkekse. Als ich ein Teenager war und im Gemeinschaftskunde-Kurs lernte, wie verfahren der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern war, hatte ich auch solche Fantasien: Sollen sich doch alle Beteiligten gehörig zukiffen, dann lösen sich die Konflikte von alleine.

Den Manövern der Frauen zuzusehen, ist vergnüglich, solange man sich weder bösartige Witze noch beißenden Humor erhofft. Bisweilen gelingen Nabaki, die selbst in der Rolle der schönen Teehauswirtin zu sehen ist, einprägsame Szenen, etwa wenn bei einem Gesangsduett Fantasie und Wirklichkeit umeinander herumtollen oder wenn ein Gang zum Friedhof sich in den wankenden, schwankenden Tanz von 40 schwarz gekleideten Frauen verwandelt.

Doch die Grundannahme, dass Frauen friedfertig, versöhnungsbereit, allen Anfechtungen fundamentalistischer Sorte abhold, kurz: die besseren Menschen seien, ist einfach zu naiv (oder zu fundamentalistisch), als dass man ihr über fast zwei Stunden folgen wollte.

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