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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Israels Militär startet erste Phase der Offensive auf Gaza-Stadt

Israelische Truppen sind nach Armeeangaben bereits in den Vororten der Stadt Gaza. Zugleich laufen die Bemühungen um eine Waffenruhe auf Hochtouren.

Nach einem israelischen Luftangriff steigt Rauch auf über Gaza-Stadt (21. August) Foto: Dawoud Abu Alkas/rtr

Israel beginnt nächste Phase im Krieg

Ungeachtet internationaler Kritik hat die israelische Armee nach eigenen Angaben die „nächste Phase des Kriegs“ im Gazastreifen begonnen. Die Truppen hielten jetzt die Außenbezirke der Stadt Gaza im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens, sagte Armeesprecher Effie Defrin und sprach von „vorbereitenden Maßnahmen“ zur geplanten Einnahme der ganzen Stadt. Das Sicherheitskabinett hatte Anfang des Monats die Einnahme der Stadt sowie die Evakuierung der Bevölkerung in den Süden genehmigt. Laut israelischen Beamten sollen die detaillierten Militärpläne zur vollständigen Einnahme der Stadt, in der sich Schätzungen zufolge derzeit rund eine Million Menschen aufhalten, in den nächsten Tagen vom Sicherheitskabinett abschließend gebilligt werden, wie das „Wall Street Journal“ berichtete. Demnach dürfte die Bodenoffensive im September beginnen. Israelischen Medien zufolge soll das Sicherheitskabinett noch heute zusammenkommen.

Die 'Äußerungen des Armeesprechers vor Journalisten fielen zusammen mit einer Mitteilung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, in der er zur beschleunigten Einnahme der größten Stadt im Norden des Küstenstreifens aufrief. Vor Billigung der Pläne für den dortigen Einsatz habe Netanjahu angeordnet, „dass die Zeitpläne – für die Eroberung der letzten Terroristenhochburgen und die Niederlage der Hamas – verkürzt werden“. (dpa)

Hamas: Netanjahu missachtet Vermittlungsbemühungen

Dabei hatte die islamistische Terrororganisation am Montag erklärt, sie habe den Vermittlern eine „positive Antwort“ auf einen neuen Vorschlag für eine Waffenruhe vorgelegt. Die Ankündigung der israelischen Armee, mit der Einnahme der Stadt Gaza mit ihren fast eine Million Bewohnern zu beginnen, und Netanjahus Absicht, dies zu billigen, sei eine „Missachtung“ der Bemühungen der Vermittler um eine Waffenruhe, erklärte die Hamas.

Medienberichten nach handelt es sich bei dem jüngsten Vorschlag für eine Waffenruhe um eine fast identische Fassung eines zuvor bereits verhandelten Vorschlag des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Dieser sieht eine 60-tägige Feuerpause vor, während der zehn lebende Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge freigelassen werden. Insgesamt befinden sich in Gaza noch 50 Geiseln, von denen noch mindestens 20 am Leben sein sollen.

Die Angehörigen befürchten das Schlimmste. Militärischer Druck rette Geiseln nicht, sondern töte sie, sagte der Vater eines Entführten bei einer Demonstration im Grenzgebiet zum Gazastreifen. Macabit Mayer, die Tante zweier nach Gaza entführter Zwillingsbrüder, warf Ministerpräsident Netanjahu vor, Zehntausende weiterer Reservisten für eine „sinnlose Mission“ rekrutiert zu haben, die „unsere Liebsten und sie selbst in Gefahr bringt.“ (dpa)

Noch keine Antwort Netanjahus auf Waffenruhe-Vorschlag

Die israelische Zeitung „Haaretz“ hielt fest, Netanjahu zögere nach der Hamas-Zustimmung zum jüngsten Vorschlag noch mit einer offiziellen Antwort Israels und habe auch noch keine Sitzung des Sicherheitskabinetts angekündigt. Mit einer offiziellen Reaktion Israels wird bis zum Ende dieser Woche gerechnet. In einem Gespräch mit dem US-Sondergesandten Witkoff habe der ägyptische Außenminister Badr Abdelatty darauf gedrungen, dass Israel auf den Vorschlag der arabischen Vermittler reagiert, berichtete die „Times of Israel“. Die sich gegenwärtig bietende Gelegenheit für ein Abkommen müsse genutzt werden.

Es wird befürchtet, dass die geplante Offensive in der Stadt Gaza die ohnehin katastrophale Lage der Zivilbevölkerung noch verschlimmern wird. Die Zahl unterernährter Kinder im Gazastreifen hat sich nach UN-Angaben seit März verdreifacht. In der Stadt Gaza sei nahezu ein Drittel der Kinder unterernährt. Man werde die Bewohner der Stadt Gaza warnen und ihre Evakuierung ermöglichen, erklärte Armeesprecher Defrin. Laut Medien sollen die Hunderttausenden Zivilisten in Zeltquartiere weiter im Süden evakuiert werden. Die Bevölkerung werde dabei aber möglicherweise nicht kooperieren, „weil sie keinen Ort hat, wohin sie gehen kann“, zitierte das „Wall Street Journal“ den pensionierten israelischen General Israel Ziv. „Das wird chaotisch werden“.

Sollte jedoch eine Einigung auf einen Deal mit der Hamas erzielt werden, würde der Einsatz in der Stadt nicht fortgesetzt, zitierte die US-Zeitung einen israelischen Beamten. Am Sonntag waren Hunderttausende Menschen in Israel zu Protesten und Streiks auf die Straße gegangen, um die eigene Regierung dazu aufzurufen, ein Abkommen zur Beendigung des seit fast zwei Jahren andauernden Kriegs im Gazastreifen zu schließen und die Geiseln zu befreien. (dpa)

Berichte: Rechtsextremer Minister droht mit Regierungsaustritt

Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich soll unbestätigten Medienberichten zufolge gegenüber Angehörigen der Geiseln erklärt haben, er werde aus der Regierung austreten, sollte Ministerpräsident Netanjahu einem Waffenruhe-Abkommen mit der Hamas zustimmen. Um politisch überleben zu können, ist Netanjahu auf die Unterstützung seiner rechtsextremen Partner wie Smotrich angewiesen. In den Medienberichten hieß es nun, der Oppositionspolitiker Benny Gantz erwäge, in die Regierung zurückzukehren, um eine Waffenruhe zu ermöglichen. Der Ex-Verteidigungsminister hatte Netanjahus Regierung 2024 nach Meinungsverschiedenheiten verlassen. (dpa)

UN-Chef: Israel soll alle Siedlungspläne unverzüglich einstellen

UN-Generalsekretär António Guterres appelliert an Israel, alle Siedlungspläne im Westjordanland unverzüglich einzustellen. Mit Blick auf die Billigung eines höchst umstrittenen Siedlungsprojekts im Westjordanland sagte Guterres, diese verstoße gegen das Völkerrecht und stehe in direktem Widerspruch zu den Resolutionen der Vereinten Nationen. „Die Fortsetzung dieses Projekts stellt eine existenzielle Bedrohung für die Zweistaatenlösung dar“, wurde Guterres von seinem Sprecher Stéphane Dujarric zitiert. Mit Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Ein israelischer Planungsausschuss hatte Baupläne für Siedlungen im Westjordanland gebilligt, mit dem das Gebiet faktisch in einen nördlichen und einen südlichen Teil unterteilt würde.

Es geht dabei um den Bau von rund 3.400 Wohneinheiten in dem sogenannten E1-Gebiet zwischen Ost-Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim. Damit würde ein zusammenhängendes Territorium für einen künftigen palästinensischen Staat erschwert – wenn nicht gar unmöglich gemacht. Zuvor hatte bereits Bundesaußenminister Johann Wadephul die Entscheidung des israelischen Planungsausschusses kritisiert. Mehrere Staaten, darunter Frankreich, Kanada und Australien, wollen im September einen palästinensischen Staat anerkennen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ab – ebenso wie die islamistische Hamas im Gazastreifen. (dpa)

UN-Generalsekretär Guterres fordert sofortigen Waffenstillstand in Gaza

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, fordert einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza. Zuvor hatte Israel die ersten Schritte einer Operation zur Einnahme von Gaza-Stadt angekündigt. „Es ist von entscheidender Bedeutung, unverzüglich einen Waffenstillstand in Gaza zu erreichen“, sagte Guterres am Rande einer Konferenz in Japan. Dies sei nötig, um den Tod und die Zerstörung zu verhindern, die eine Militäroperation gegen Gaza-Stadt verursachen würde. Er forderte Israel zudem auf, eine Entscheidung zum Ausbau des „illegalen“ Siedlungsbaus im Westjordanland rückgängig zu machen. (rtr)

Irans Außenminister warnt Europäer vor Auslösung von Mechanismus für Sanktionen

Nach den Worten von Irans Außenminister Abbas Araghtschi haben die europäischen Staaten nicht das Recht, den im Atomabkommen von 2015 vorgesehenen Mechanismus zur Wiedereinführung von Sanktionen auszulösen oder die Frist für dessen mögliche Aktivierung zu verlängern. „Wenn wir der Ansicht sind, dass sie kein Recht haben, den Snapback-Mechanismus anzuwenden, ist es nur logisch, dass sie auch die Frist nicht verlängern dürfen“, sagte Araghtschi der offiziellen Nachrichtenagentur Irna am Mittwoch. „Wir haben noch keine Grundlage für Verhandlungen mit den Europäern gefunden“, fügte der Außenminister hinzu.

Der sogenannte Snapback-Mechanismus ermöglicht die Wiedereinführung der internationalen Sanktionen, die nach dem 2015 beschlossenen internationalen Atomabkommen mit dem Iran schrittweise abgebaut worden waren. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten in der vergangenen Woche erklärt, dass sie im Fall eines Scheiterns der Atom-Verhandlungen mit dem Iran bereit sind, die Sanktionen gegen das Land wieder einzusetzen. In einem von Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) und seinen Kollegen Jean-Noël Barrot aus Frankreich und David Lammy aus Großbritannien unterzeichneten Brief an die UNO hieß es, die drei Staaten seien bereit, den Snapback-Mechanismus auszulösen, sollte es bis Ende August keine Einigung im Atomstreit geben. Das Iran-Atomabkommen von 2015 und damit auch der Snapback-Mechanismus laufen im Oktober aus, weshalb die europäischen Länder eine Einigung bis Ende August anstreben. (afp)

Italien kritisiert Israels Genehmigung für umstrittenes Siedlungsprojekt im Westjordanland

Italiens Außenminister Antonio Tajani hat Israels Genehmigung für ein neues Siedlungsprojekt im besetzten Westjordanland als „inakzeptabel“ kritisiert. „Die Entscheidung Israels, neue Siedlungen im Westjordanland zu errichten, ist inakzeptabel, verstößt gegen das Völkerrecht und könnte die Zweistaatenlösung endgültig gefährden“, erklärte Tajani am Mittwoch im Onlinedienst X. Zugleich bekräftigte er, dass die Zweistaatenlösung ein Ziel sei, „für das sich die italienische Regierung weiterhin mit Überzeugung einsetzt“. (afp)

Sanktionen gegen weitere Richter und Ankläger: USA verschärfen Gangart gegen IStGH

Die USA haben ihre Gangart gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) weiter verschärft – und dies insbesondere mit dessen Vorgehen gegen Israel begründet. Die US-Regierung verhängte am Mittwoch Sanktionen gegen den französischen IStGH-Richter Nicholas Guillou, eine Richterin aus Kanada sowie zwei Ankläger aus dem Senegal und Fidschi. Das Außenministerium in Washington erklärte zur Begründung, die Betroffenen seien an „Verstößen des IStGH gegen die Vereinigten Staaten und Israel beteiligt“. Die französische Regierung und der IStGH selbst kritisierten die Entscheidung. US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete den IStGH als „Gefahr für die nationale Sicherheit“, der Gerichtshof sei für den „Kampf mit juristischen Mitteln gegen die USA und unseren engen Verbündeten Israel“ eingesetzt worden. Rubio bezeichnete das Vorgehen des IStGH mit dem schwer übersetzbaren englischen Ausdruck „lawfare“, mit dem US-Präsident Donald Trump und dessen Unterstützer aus ihrer Sicht politisch motivierte Gerichtsverfahren gegen Trump bezeichnen.

Rubio begründete das Vorgehen gegen die IStGH-Vertreter zudem damit, dass dieser gegen Vertreter Israels wie der USA „ohne die Zustimmung beider Nationen“ vorgehe. Von den neuen Sanktionen betroffen sind neben dem französischen Richter Guillou unter anderem die stellvertretende Anklägerin Nazhat Shameem Khan aus dem pazifischen Inselstaat Fidschi und Vize-Ankläger Mame Mandiaye Niang aus dem westafrikanischen Senegal. Guillou ist für den Fall zuständig, in dessen Verlauf ein Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Nentanjahu und den damals amtierenden Verteidigungsminister Joav Gallant erlassen wurde. Shameem Khan und Niang sind ebenfalls mit diesem Fall befasst. (afp)

US-Botschafter gibt Europa Mitschuld am Stillstand im Gaza-Konflikt

Der US-Botschafter in Israel, Mike Huckabee, hat europäische Länder für die stockenden Gespräche über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg verantwortlich gemacht. Huckabee sagte am Mittwoch der Nachrichtenagentur AP, die Entscheidung einiger europäischer Regierungschefs, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, habe einen kontraproduktiven Effekt. „Wenn sie glauben, dass die einseitige Forderung nach zwei Staaten, nach der Anerkennung eines palästinensischen Staates, sie unmittelbar näher bringt, ist die traurige Wahrheit, dass sie sich dadurch nur noch weiter voneinander entfernen“, sagte Huckabee über die europäischen Länder. (ap)

UN: Zahl unterernährter Kinder im Gazastreifen seit März verdreifacht

Die Zahl unterernährter Kinder im Gazastreifen hat sich nach UN-Angaben seit März verdreifacht. In der Stadt Gaza sei nahezu ein Drittel der Kinder unterernährt, schrieb Philippe Lazzarini, der Leiter des UN-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) auf der Plattform X. Das sei eine sechsmal so hohe Zahl wie vor dem Ende der Waffenruhe im März und der Blockade des Gazastreifens. „Das ist keine Naturkatastrophe. Es ist menschengemachtes, vermeidbares Verhungern“, schrieb er. Grundlage der UNRWA-Zahlen ist eine Untersuchung von fast 100.000 Kindern unter fünf Jahren.

UNRWA und andere Hilfsorganisationen würden seit bald sechs Monaten daran gehindert, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Dabei seien in den Lagern der Organisation in Ägypten und Jordanien Vorräte, mit denen 6.000 Lastwagen beladen werden könnten und die Lebensmittel für drei Monate enthielten, hieß es. Mitte Juli hatte UNRWA mitgeteilt, dass zehn Prozent der in den Kliniken der Organisation untersuchten Kinder unterernährt seien. (dpa)

Hamas führt großangelegten Angriff auf israelische Soldaten im Gazastreifen aus

Bei einem Angriff der radikalislamischen Hamas auf israelische Soldaten im Gazastreifen sind nach israelischen Angaben mindestens zehn Hamas-Kämpfer getötet worden. Am Mittwoch gegen 9.00 Uhr (Ortszeit, 8.00 Uhr MESZ) seien „mehr als 15 Terroristen aus mehreren Ausgängen eines Tunnels“ nahe eines Militärvorpostens im Süden von Chan Junis gekommen, erklärte die israelische Armee am Mittwoch. Dabei seien „zehn Terroristen“ getötet worden. Ein israelischer Soldat sei schwer verwundet, zwei weitere leicht verletzt worden.

Die Hamas-Kämpfer hätten einen „kombinierten Angriff mit Schusswaffen und Panzerabwehrraketen“ auf den Posten ausgeführt, erklärte die Armee weiter. Mehrere Angreifer seien im Nahkampf und durch Luftangriffe getötet worden. Acht weitere Angreifer konnten sich demnach in den Tunnel zurückziehen. „Der Vorfall ist noch nicht beendet“, fügte die Armee hinzu. Die geflüchteten Kämpfer würden „lokalisiert und eliminiert“. Laut dem israelischen Militärjournalisten Doron Kadoch handelt es sich um einen „außergewöhnlichen“ Angriff seit Beginn des Krieges im Gazastreifen. Nach Angaben des israelischen Senders Channel 12 zielte der großangelegte Angriff darauf ab, israelische Soldaten als Geiseln zu entführen. (afp)

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