live ++ Wehrdienst und Rente im Bundestag ++: Mehrheit hebt die Hand für den Wehrdienst
Musterung für die Jungen, Geld für die Alten: Der Bundestag beschäftigt sich mit dem umstrittenen Wehrdienst und dem noch umstritteneren Rentenpaket. Die Debatte im Liveticker.
Inhaltsverzeichnis
- Proteste gegen Wehrdienst-Pläne vor dem Bundestag
- Reichinnek: „Wir retten nicht Herrn Merz, wir retten die Rente“
- 🐾 Nicht alle Grünen für den Hodengriff
- Wehrpflicht bekommt Handzeichen-Mehrheit
- Pistorius: Wenn es freiwillig nicht funktioniert, kommt die Wehrpflicht
- Wehrdienst-Debatte hat begonnen
- Merz legt Latte für Renten-Abstimmung hoch
Showdown: Der Bundestag hat nach wochenlangen Diskussionen für das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz gestimmt – per Handzeichen. Damit wird verpflichtende Musterung ganzer Jahrgänge ab dem Geburtsjahr 2008 wiedereingeführt. Dafür gestimmt hat nur die Koalition aus Union und SPD. Alle Oppositionsfraktionen – also Grüne, Linke und Rechtsextreme – waren dagegen. Nun hat die AfD eine namentliche Abstimmung beantragt. Auch um die Rentenreform geht es heute. Seit Wochen wird in der Koalition darüber gestritten. Die spannende Frage: Wie viele Abweichler:innen wird es bei der Union geben? Abgeordnete der Jungen Gruppe geben sich als „Rentenrebellen“.
Proteste gegen Wehrdienst-Pläne vor dem Bundestag
11.20 Uhr: Aus Protest gegen die von der Koalition aus CDU/CSU und SPD im Bundestag – vorerst nur per Handzeichen – durchgewunkenen Wehrdienst-Pläne der Bundesregierung gehen am Freitag bundesweit junge Menschen auf die Straße gehen. Vor dem Bundestag wird protestiert. Ein Bündnis von Jugendorganisationen ruft überdies zu einem „Schulstreik“ auf. Jede Form staatlicher Zwangsdienste würden abgelehnt, erklärte etwa die Landesschülervertretung von Nordrhein-Westfalen. Der Staat dürfe sich nicht über Körper, Lebenszeit und Zukunftspläne junger Menschen hinwegsetzen, um geopolitische Interessen durchzusetzen. Die taz hat sich bei Streikwilligen und Jugendorganisationen in Berlin umgehört. (rru)
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Livestream zur Debatte zu Wehrpflicht und Rente
Livestream aus dem Bundestag
Reichinnek: „Wir retten nicht Herrn Merz, wir retten die Rente“
11.05 Uhr: Ab 11.20 Uhr steht laut Tagesordnung des Bundestags die mit Spannung erwartete Debatte über das umstrittene Rentenpaket der Merz-Regierung an.
Die Linken wollen sich bei der anschließenden Abstimmung im Bundestag enthalten. Fraktionschefin Heidi Reichinnek bestritt jetzt machttaktische Erwägungen. „Wir retten nicht Herrn Merz, wir retten die Rente von über 21 Millionen Menschen in diesem Land“, sagte sie in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv. „Wir werden ganz sicher nicht zulassen, dass die Union ihre Machtspielchen auf dem Rücken der Rentnerinnen und Rentner ausführt.“
Mit der Union habe die Partei nicht gesprochen, „weil es hier einfach weder um Herrn Merz noch um Herrn Spahn noch um die Union an sich geht. Es geht darum, wie wir etwas für die Menschen in dem Land erreichen können“, sagte Reichinnek über Kanzler Friedrich Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn. Zugleich sagte sie aber, für die Union gebe es nichts Schlimmeres, als wenn das nur durch die Enthaltung der Linken zustande komme.
Zur Frage, wie die Enthaltung der Linksfraktion zu bewerten ist, haben sich die taz-Kollegen Pascal Beucker und Thomas Salter hier einen Schlagabtausch geliefert. (dpa/taz)
🐾 Nicht alle Grünen für den Hodengriff
10.30 Uhr: Zu den Wehrdienstplänen der Bundesregierung sagen die Grünen mehrheitlich „Nein, aber“. Die Position, die ihr Parteitag am letzten Wochenende festgelegt hat: Die Möglichkeit, junge Männer zum Dienst zu verpflichten, lehnen sie vorerst ab, weshalb die Grünen am Freitagvormittag auch im Bundestag bei der Handzeichenabstimmung gegen das sogenannte Wehrdienst-Modernisierungsgesetz votierten. Allein: Den Zwang zur Musterung, der durch die Gesetzänderung zurückkommt, finden viele Grüne trotzdem richtig. Einige Abgeordnete kritisieren diesen Musterungszwang jetzt als „entwürdigend“. Alle Details im Bericht des Kollegen Tobias Schulze. (taz)
Wehrpflicht bekommt Handzeichen-Mehrheit
10.15 Uhr: Der Bundestag hat über das sogenannte Wehrdienst-Modernisierungsgesetz abgestimmt, zunächst per Handzeichen. Die Koalition stimmt zu, Grüne, Linke und Rechtsextreme stimmen dagegen. Allerdings hat die AfD eine namentliche Abstimmung beantragt. Diese soll im Anschluss erfolgen. (rru)
Pistorius: Wenn es freiwillig nicht funktioniert, kommt die Wehrpflicht
9.55 Uhr: In der Debatte um das sogenannte Wehrdienst-Modernisierungsgesetz hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zwar betont: „Dieser Wehrdienst ist freiwillig und soll es auch bleiben.“ Sollte es mit der Freiwilligkeit aber nicht funktionieren, werde man aber „um eine Teilwehrpflicht nicht herumkommen“. Die Aufregung um die Musterung sei übrigens übertrieben, das tue niemandem weh.
Die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni kritisierte zuvor, dass die Pläne keine systematische Abfrage für den Dienst etwa im Zivilschutz vorsähen und zunächst nur 18-jährige Männer verpflichtend einen Fragebogen zum Interesse am Dienst in den Streitkräften ausfüllen müssen und nicht „alle Generationen“ und „alle Geschlechter“.
Die Linke lehnt die Wehrdienst-Pläne kategorisch ab; sie sieht darin die Vorbereitung einer Wehrpflicht. Die Linken-Abgeordnete Desiree Becker unterstützte die Schülerstreiks: „Geht auf die Straße, streikt heute gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht“, sagte sie an die jungen Menschen gewandt. „Informiert euch über das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und nutzt es.“ Die namentliche Abstimmung über das Gesetz soll gegen 10.05 Uhr beginnen. (rru)
Wehrdienst-Debatte hat begonnen
9.00 Uhr: Im Bundestag hat die abschließende Beratung über die Einführung eines neuen Wehrdienstes begonnen. Nach einer rund einstündigen Debatte findet am Freitagvormittag die namentliche Schlussabstimmung statt. Das Vorhaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht die Wiedereinführung der verpflichtenden Musterung ganzer Jahrgänge ab dem Geburtsjahr 2008 vor. Die Entscheidung für den Wehrdienst soll aber freiwillig bleiben.
Werden allerdings erwartete Ziele für die Erhöhung der Personalstärke der Bundeswehr nicht erreicht, könnte eine sogenannte Bedarfswehrpflicht kommen. Diese soll dann die Lücken zwischen dem Bedarf der Streitkräfte und der tatsächlichen Zahl der zur Verfügung stehenden Soldatinnen und Soldaten schließen. Nötig dafür wäre ein erneuter Beschluss des Bundestags. Betroffene könnten dann gegebenenfalls auch über ein Los- oder ein anderes Zufallsverfahren ausgewählt werden.
Hintergrund der Wehrdienst-Reform sind neue Vorgaben der Nato zu Personalstärken vor dem Hintergrund der erhöhten Bedrohung durch Russland. Demnach muss Deutschland bis 2035 im Krisen- und Kriegsfall rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten bereitstellen können. Pistorius plant dafür die Aufstockung der Bundeswehr auf rund 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten sowie die Erhöhung der einsetzbaren Reservisten auf rund 200.000. (afp)
Merz legt Latte für Renten-Abstimmung hoch
8.00 Uhr: Vor der Entscheidung über das umstrittene Rentengesetz im Bundestag legt Kanzler Friedrich Merz (CDU) die Latte für die eigene Fraktion und Koalition noch einmal ein Stück höher. Er will die absolute Mehrheit aller Abgeordneten im Bundestag erzielen, die sogenannte Kanzlermehrheit von 316 Stimmen. Damit dürfen aus seiner Sicht bei der Schicksalsabstimmung der Koalition heute gegen 12.30 Uhr im Bundestag nicht mehr als zwölf Koalitionsabgeordnete fehlen, mit Nein stimmen oder sich enthalten.
„Wir haben 630 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Die Mehrheit ist 316. Wir haben 328 und ich würde mir ein Ergebnis wünschen zwischen 316 und 328“, sagte der CDU-Vorsitzende nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin auf eine Journalistenfrage. Damit nennt er eine Zielmarke, die vor ihm noch niemand aus der Koalition so gesetzt hat. Und sie geht auch weit über das hinaus, was für eine Verabschiedung des Gesetzes nötig ist. (dpa)
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