„Stadien werden zerstört“

STADTENTWICKLUNG Christopher Gaffney bestreitet, dass Olympia ein Gewinn für den Gastgeber wäre

■ 44, ist Geograf und hat sich mit den Auswirkungen der Fußball-WM auf die brasilianischen Gastgeberstädte befasst.

taz: Herr Gaffney, hat die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft Brasilien geschadet?

Christopher Gaffney: Absolut. Nicht nur im Sinne einer Schwächung demokratischer Strukturen, wie sie stets mit Großereignissen einhergeht, sondern auch was den Ertrag betrifft und die Zerstörung von Stadien.

Zerstörung von Stadien?

Wir hatten eine Reihe öffentlicher Stadien, die abgerissen und für die WM neu gebaut wurden. Sie alle sind ökonomisch nicht tragfähig. Zudem wurden funktionierende öffentliche Räume in Einkaufszentren verwandelt.

Es muss doch ein Interesse geben, die Stadien zu füllen.

Aber sie werden nicht gefüllt. Ein Teil des Geschäftsmodells der Fußball-WM und der Olympischen Spiele besteht darin, öffentlichen Raum zu beanspruchen, ihn mit öffentlichem Geld zu zerstören und neu zu bebauen. Dann wird er privatisiert und muss wieder mit Menschen gefüllt werden, die dann noch mehr Geld bezahlen müssen.

Sind die brasilianischen Stadien denn jetzt leer?

Die durchschnittliche Besucherzahl liegt bei 12.000 pro Spiel in der Ersten Liga. Bezogen auf den Mindestlohn hat Brasilien die höchsten Ticketpreise der Welt.

Kann man die Spiele zur Stadtentwicklung nutzen?

Es gibt derzeit keinen Weg, Olympische Spiele vernünftig auszurichten. Derzeit dienen sie nur der städtebaulichen Aufwertung, die nur einem kleinen Teil der Bevölkerung nützt: Immobilien- und Baufirmen, Medienhäusern und vielleicht auch Politikern.

Könnte die Politik das ändern?

Nicht innerhalb der gegenwärtigen Struktur. Hamburg wird eine Olympia-Bewerbung einreichen, die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOK) abgesegnet und dann zur Planungsgrundlage der Stadt für die nächsten sieben Jahre wird.

Das IOK hat versprochen, die Spiele nach neuen Regeln stattfinden zu lassen.

In der „Agenda 2020“ steht nichts, was das Geschäftsmodell in Frage stellt. Es besteht darin, die Stadt kurzfristig in eine Gastgeberstadt zu verwandeln. Öffentlicher Raum wird privatisiert, viel Geld für Veranstaltungen und Sicherheit ausgegeben und es werden keine Einschränkungen bei der Immobilienspekulation oder beim Verkehr akzeptiert. Dann macht sich das IOK aus dem Staub, ohne Rechenschaft dafür zu geben, was mit der Stadt passiert ist. INTERVIEW: GERNOT KNÖDLER

Diskussion „Hamburgs Traum von Olympia – Kritische Einwände aus der Wissenschaft“: 18 Uhr, Uni, Von-Melle-Park 9