Kommentar EU-Referendum in Irland: Die Iren blockieren Europa

Eine Mehrheit der Bürger will eine bessere EU. Doch die stand bei dem Referendum nicht zur Abstimmung.

Halten drei Millionen Iren mit ihrem Nein zum neuen EU-Vertrag 480 Millionen Europäer auf? Das zu behaupten wäre unfair. Zuvor hatten schon Franzosen und Holländer in Volksabstimmungen mehrheitlich Nein zur EU-Verfassung gesagt. Und auch in den übrigen Mitgliedsstaaten stehen viele der heutigen EU skeptisch gegenüber.

Wie die Mehrheit der Europäer denken auch die Iren in Sachen Europa recht radikal. Sie wollen eine bessere EU oder gar keine. Doch diese Optionen standen beim Referendum nicht zur Wahl. Die Alternative lautete: Nizza-Vertrag behalten oder Lissabon-Vertrag bekommen. Die Iren haben sich für den Nizza-Vertrag entschieden, den sie 2001 schon einmal in einem Referendum abgelehnt hatten.

Mit Logik sollte man diesem Ergebnis nicht beizukommen versuchen. Es ging nicht um den Inhalt zweier Verträge, es ging um die Bekundung des Unmuts an der Politik im Allgemeinen und an Europa im Besonderen. Und so haben 3 Millionen Iren eben doch 480 Millionen Europäer blockiert - sich selbst eingeschlossen. Denn der neoliberale Binnenmarkt und das undurchschaubare Brüsseler Entscheidungsgeflecht bleiben allen erhalten - auch den Iren. Der zur Einstimmigkeit verdammte Ministerrat aus 27 Mitgliedern ist viel zu schwerfällig, um dringend nötige Reformen anzupacken. Ob Arbeitszeitrichtlinie, Klima- oder Sozialpolitik - auch in den nächsten 12 Monaten bis zur Europawahl werden die Europäer weiter täglich spüren, was es heißt, von einem geheim tagenden Ministerrat regiert zu werden, dessen Mitglieder anschließend daheim erzählen, das alles hätten sie so nicht gewollt.

Natürlich hätte weder die Verfassung noch der Lissabon-Vertrag die EU über Nacht in eine soziale Marktwirtschaft zurückverwandelt. Doch wäre der Einfluss des Europaparlaments auf Personal und Politiken deutlich gestärkt worden. Dadurch wäre auch den Wählern mehr Einfluss zugewachsen.

Im kommenden Juni hätte vielleicht eine Mehrheit der Europäer linke und grüne Europaabgeordnete ins Parlament gebracht. Die hätten einen Kommissionspräsidenten ihrer Wahl benennen und die europäische Sozialgesetzgebung in Schwung bringen können. Dazu wird es jetzt nicht kommen.

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