Kommentar NRW-Landesparteitag CDU: Sozialrhetorik statt Sozialpolitik

Auf dem NRW-Landesparteitag präsentiert sich Rüttgers als das soziale Gewissen der Union. Dabei verschärft die eigene Landespolitik faktisch die soziale Spaltung.

Für Stimmungslagen hat Jürgen Rüttgers ein sehr feines Gespür. Aktuell fühlt Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident die immer größer werdende Angst vor dem sozialen Abstieg, die immer mehr Menschen ergreift. Der CDU-Vize schärft deshalb sein soziales Profil noch einmal: Ohne Gegenstimme beschloss der Dortmunder Landesparteitag der NRW-CDU seinen Leitantrag in Richtung Bundesebene. Dieser sieht höhere Renten für Geringverdiener und ein höheres Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger vor. Wer könnte dagegen sein?

Rüttgers eigene Landespolitik aber verschärft faktisch die soziale Spaltung. Beispiel Familienpolitik: Obwohl immer mehr Familien angesichts sinkender Reallöhne auf zwei Einkommen angewiesen sind, hält die schwarz-gelbe Landesregierung eine entlastende Versorgung mit Krippenplätzen und Ganztagsschulen für unnötig. Stattdessen nimmt das Kabinett Rüttgers die geringe Förderung der Kinder gerade der Einkommensschwachen in Kauf.

Beispiel (Schul-)Bildung, die Schlüsselressource des 21. Jahrhunderts: Das größte Bundesland hält am umstrittenen dreigliedrigen Schulsystem fest. Zwischen Rhein und Weser werden Kinder im Alter von zehn Jahren noch immer in Haupt- und Realschüler und Gymnasiasten selektiert. Die Hauptschüler bleiben chancenlos zurück, wie die Kultusministerkonferenz erst am Donnerstag festgestellt hat: Über 40 Prozent haben auch 30 Monate nach Schulabschluss keine Lehrstelle. Nordrhein-Westfalens CDU-Schulministerin Barbara Sommer produziert damit die Langzeitarbeitslosen von morgen. Und obwohl insbesondere Hauptschüler ohne Ausbildung endgültig in den Niedriglohnsektor abrutschen, stemmt sich CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann mit aller Kraft gegen Mindestlöhne.

Jürgen Rüttgers aber konzentriert sich ganz auf die Schwäche der SPD und spürt zudem das Erstarken der Linkspartei auch in NRW. Die will er aus dem Düsseldorfer Landtag um jeden Preis heraushalten - notfalls mit einer von Taten losgelösten sozialen Rhetorik. Doch die verhindert mitnichten, dass die Lebenswirklichkeit von immer mehr Menschen brenzliger wird.

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