Die Invasion der Nutzlospillen

LOBBYSIEG Pharmahersteller müssen Zusatznutzen neuer Medikamente für Patienten bald nicht mehr nachweisen

BERLIN taz | Dem unabhängigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) droht die Entmachtung durch die schwarz-gelbe Koalition: Die Standards der obersten deutschen Medizinprüfer zur Nutzenbewertung innovativer Arzneimittel sollen verwässert werden – im Interesse der Pharmaindustrie. „Das IQWiG verkommt zum Feigenblatt“, warnt Gerd Glaeske, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.

Therapeutischer Zusatznutzen soll künftig nicht mehr wissenschaftlich definiert werden, sondern politisch – per Rechtsverordnung durch das FDP-geführte Gesundheitsministerium. Geplant ist zudem eine Beweislastumkehr: Nicht mehr die Pharmahersteller sollen für ihre neuen Medikamente nachweisen müssen, dass diese einen patientenrelevanten Zusatznutzen gegenüber existierenden Therapien haben. Sondern das IQWiG soll die „Unzweckmäßigkeit“ beweisen. Der Nachweis der Nichtexistenz: eine wissenschaftliche Unmöglichkeit, sagt der IQWiG-Leiter Jürgen Windeler.

Die Opposition ist machtlos: Das umstrittene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG), das ab 2011 auch die Aufgaben des „Medizin-TÜV“ neu festlegt, bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats. HH

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