Geht arbeiten!

EUROPA Angela Merkel hält die Deutschen für die besseren Europäer. An ihnen sollen sich die Euroschuldenstaaten im Süden ein Beispiel nehmen. „Weniger Urlaub, spätere Rente“, fordert die Kanzlerin von den Südeuropäern. Alle Fakten ignoriert sie dabei

BERLIN taz | Fern im Sauerland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel sich am Dienstagabend in einer Rede den südeuropäischen Schuldenstaaten gewidmet und damit Entrüstung in Europa ausgelöst. Auf einer Wahlkampfveranstaltung sagte Merkel, es gehe nicht nur darum, keine Schulden zu machen. „Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen.“ Merkel kritisierte auch die Urlaubsregelungen im Süden. „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.“

„Das ist Kolonialismus pur“, schimpfte der Präsident des portugiesischen Gewerkschaftsdachverbands CGTP, Manuel Carvalho da Silva, der „jegliche Solidarität“ vermisst. „Sie betreiben Populismus, Frau Merkel“, meint die linksliberale Athener Zeitung Eleftherotypia. Tatsächlich steht Deutschland mit bis zu 30 Urlaubstagen an der Spitze der erwähnten Länder, das Renteneintrittsalter liegt nach OECD-Angaben in Deutschland, Spanien und Griechenland ebenso wie in Portugal im Durchschnitt bei rund 62 Jahren.

In Anbetracht der durch die hohe Arbeitslosigkeit ausgelösten Proteste in Spanien wirkt Merkels Rede geradezu zynisch. In Deutschland wird derweil über die Rente mit 69 diskutiert.

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