Vergesst Kioto!

KLIMA Der langjährige Generalsekretär der UN-Klimakonvention, Yvo de Boer, erklärt das 14 Jahre alte Klimaabkommen für tot. Die Bonner Klimagespräche drohen zu scheitern

BONN taz | Der internationale Klimaschutz steht am Ende einer Ära. „Wir müssen sehen, dass das Kioto-Protokoll tot ist“, sagte der langjährige Leiter der UN-Klimasekretariats UNFCCC, Yvo de Boer, gegenüber der taz am Rande der UN-Klimakonferenz in Bonn. „Der Geist des Kioto-Protokolls ist verschwunden. Der Körper wird zwar noch künstlich am Leben erhalten, und vielleicht werden einige der Organe verpflanzt“, sagte de Boer, der vier Jahre lang diese Verhandlungen geleitet hatte, bevor er im vergangenen Jahr zurücktrat.

Auch bei der Konferenz in Bonn, die morgen endet, wurde deutlich, dass der Zeitplan des Kioto-Protokolls gescheitert ist. Das aber würde bedeuten, dass sämtliche bisher getroffenen Klimaschutzverpflichtungen auslaufen. Die Diplomaten suchen unter Hochdruck nach einem Ausweg aus der Sackgasse.

De Boers Kritik am Kioto-Verfahren ist umfassend: Es gebe „keinen politischen Willen, Kioto mit Leben zu füllen“. „Ein Klimaabkommen, das die USA, Russland, Japan und Kanada nicht bindet, ergibt keinen Sinn.“ Die verbleibenden Länder machten weniger als 20 Prozent der globalen Emissionen aus. „Als wir Kioto ratifiziert haben, waren das 55 Prozent. Wir müssen den Leuten endlich sagen, dass das nicht so funktioniert, wie es geplant war“, erklärte Yvo de Boer.

Als Alternative zu Kioto schlägt der ehemalige UN-Spitzenbeamte eine „Art Klima-WTO“ vor, wo Klima-Vorreiter ihre Emissionen begrenzen und dafür wirtschaftliche Vorteile erhalten. „Die Märkte sollten eine viel wichtigere Rolle spielen“, sagte de Boer, der heute für die Unternehmensberatungsfirma KPMG arbeitet.

Wie ungeliebt der Klimaprozess ist, zeigt eine interne Debatte beim UN-Klimasekretariat UNFCCC. Immer noch ist unklar, welches Industrieland die nächste Konferenz vor Durban finanzieren wird. Es geht um etwa 5 Millionen Dollar, bisher halten sich die Staaten zurück. Auf den Kosten für die Konferenz von Bangkok im April sei das UNFCCC bisher größtenteils sitzen geblieben, erfuhr die taz aus der UN-Behörde.

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