Kommentar US-Schuldenstreit: Punktsieg der Ultras

Boehner hat die Kontrolle über seine eigene republikanische Mehrheit verloren. Im Windschatten der Schuldendebatte haben die rechten Ultras gepunktet.

Im US-Schuldenstreit zwischen Barack Obama und den Republikanern prallen derzeit zwei gegensätzliche Visionen von den USA aufeinander. Die eine ist die von einem - wenngleich im Vergleich zu Europa immer noch minimalistischen - fürsorglichen Staat, der es als seine Aufgabe ansieht, für Bildung, Gesundheitsversorgung, Umweltschutz und akzeptable Wohnbedingungen zu sorgen.

Die andere hat einen Schrumpfstaat zum Ziel, der all diese Aufgaben den Selbstregulierungskräften der Wirtschaft überlässt.

Seit Beginn der Amtszeit von Barack Obama sind diese beiden Visionen bei allen wichtigen politischen Debatten hart aufeinandergeprallt: beim Rettungspaket für die Banken, bei der Gesundheitsreform, bei der Klimapolitik und bei den zaghaften Versuchen, die Finanzmärkte zu regulieren. In allen Auseinandersetzungen waren die Fronten unversöhnlich, war der Stil hasserfüllt.

Bei der gegenwärtigen Schuldendebatte ist jetzt eine dritte Front entstanden. Sie verläuft zwischen dem traditionellen Establishment der Republikanischen Partei, zu dem unter anderem ihre Fraktionschefs im Kongress gehören, und den Abgeordneten der radikal rechten Tea Party, von denen die meisten erst im November in den Kongress gewählt worden sind.

In der Nacht zum Freitag hat die radikal rechte Tea Party im Repräsentantenhaus gegen ihren Chef rebelliert. Erfolgreich. In ihrer ersten Amtszeit im Kongress haben die "Freshmen" den Speaker - den (nach Präsident und Vizepräsident) drittstärksten Politiker in den USA - mit einer Gesetzesvorlage auflaufen lassen. Als er erkannte, dass er nicht die nötige Mehrheit bei den Seinigen bekommen würde, sagte Speaker John Boehner die Abstimmung ab.

Boehner bekommt nun am eigenen Leib und in der eigenen Funktion den geballten Hass der Tea Party zu spüren, der sich zuvor hauptsächlich gegen Präsident Obama entladen hat: von Hitler- und Stalin-Vergleichen über das ressentimentgeladene Verlangen nach einem Geburtszertifikat bis hin zum Wort "Lügner", mit dem nie zuvor ein amtierender Präsident der USA im Kongress bezeichnet worden ist.

Boehner, der als vor Glück weinender Sieger aus den Halbzeitwahlen hervorgegangen war, hat die Kontrolle über seine eigene Mehrheit verloren. Im Windschatten der Schuldendebatte haben die rechten Ultras gepunktet - die Fundamentalisten für den kleinen Staat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.