Kommentar Verurteilung Timoschenkos: Europas Ostpolitik ist gescheitert

Von Anfang an war klar, dass es bei der Prozessposse um eine Abrechnung mit Timoschenko ging. Jetzt muss die EU ihre Politk gegenüber Ex-Sowjetrepubliken neu justieren.

Der Schuldspruch gegen die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko war zu erwarten. Schließlich war von Anfang an klar, worum es bei der Prozessposse ging: nicht etwa darum, eine Politikerin wegen Verfehlungen im Amt strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, sondern darum, mit ihr abzurechnen und sie als Konkurrentin kaltzustellen.

Dennoch überrascht, dass der Richter die Angeklagte trotz scharfer Kritik aus dem Ausland zu einer derart harten Strafe verurteilte. In der Ukraine liegen Urteile schon zu Prozessbeginn fertig in der Schublade; die Justiz erhält ihre Instruktionen von oberster Stelle. Der Ausgang der Causa Timoschenko ist also auch eine Kampfansage an die Staatengemeinschaft, allen voran die Europäische Union.

Man fragt sich, was die Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch zu diesem Urteil bewogen haben mag. Wollte sie austesten, wie weit sie gehen kann? Oder ist sie naiv genug zu glauben, Brüssel werde das geplante Assoziierungsabkommen trotz des Urteils bis Jahresende unterzeichnen und damit zur Tagesordnung übergehen? Genau das dürfte jetzt allenfalls um den Preis eines weiteren Verlusts an Glaubwürdigkeit möglich sein.

BARBARA OERTEL ist Ko-Leiterin des Auslandsressort der taz und zuständig für die Osteuropa-Berichterstattung.

Wie will das vereinte Europa die Botschaft verkaufen, dass ein Land, in dem demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien so unverhohlen verletzt werden, dafür auch noch belohnt wird? Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, einzugestehen, dass die Politik der EU gegenüber der Ukraine und den anderen östlichen Nachbarstaaten gescheitert ist. Ganz offensichtlich taugen so halbherzige Instrumente wie die Östliche Partnerschaft nicht dazu, den Transformationsprozess dort in der gewünschten Weise zu befördern.

Ein paar Millionen Euro für Nachhilfe in Demokratie und die Aussicht auf engere Wirtschaftskontakte ersetzen eben nicht ein klares Bekenntnis, dass auch die Ostanrainer eine Beitrittsperspektive haben. Eine Neujustierung der Brüsseler Politik gegenüber den Ex-Sowjetrepubliken ist dringend geboten. Sonst könnte der Fall Timoschenko auch woanders Schule machen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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