KOMMENTAR VON EVA VÖLPEL ÜBER EINE NEUE RUNDE IM UMBAU DER EU
: Wettbewerb über alles

Gegenmodelle liegen zwar auf dem Tisch, müssen aber mehrheitsfähig gemacht werden

Vor wenigen Wochen erst wurde in London mit großem Pomp Maggie Thatcher unter die Erde gebracht. Doch ihr Programm neoliberalen Staatsumbaus feiert in modernisierter Form in Europa derzeit fröhliche Urständ.

Orientiert am Fetisch Wettbewerbsfähigkeit verfolgen ein Teil der EU-Kommission und Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Vorstoß, der sich gewaschen hat. Um Europa im globalen Konkurrenzkampf besser zu positionieren, sollen hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards geschleift werden – und zwar in allen Ländern. Arbeitslosengeld kürzen, Kündigungsschutz abbauen, Renten runter, Möglichkeiten für befristete Verträge ausweiten, Tarifvertragssysteme und Gewerkschaften schwächen, das sind nur einige der Ideen, die auf dem Tisch liegen. Die EU-Länder sollen sich dazu verpflichten, ihre Arbeits- und Sozialsysteme marktkonform umzubauen.

Vorerst sind die Pläne auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Aber selbst wenn Angela Merkel diese Wahlen verliert, dürften sie sich nicht erledigt haben. Denn die Kanzlerin ist zwar eine bedeutende, aber nicht die einzige treibende Kraft hinter einem solchen Umbau Europas.

Stellt sich die Frage: Was tun? Dass Initiativen und Parteien aus verschiedenen Ländern protestieren, ist gut. Aber auch nur ein müder Anfang. Gegenmodelle, um die Wirtschaft Europas anzukurbeln und Reichtum gerechter zu besteuern, stehen bisher nur auf dem Papier, sie müssen aber mehrheitsfähig gemacht werden. Die Gewerkschaften hinken in Sachen europäischer Protestvernetzung und Koordinierung ihrer Lohnpolitik – einer Maßnahme, um Kürzungen gemeinsam abzuwehren – hoffnungslos hinterher. Und die europäische und vor allem die deutsche Sozialdemokratie sowie die hiesigen Grünen sind bisher nicht als glaubwürdige Gegner der Austeritätspolitik auf den Plan getreten. Im Gegenteil. Fast alle von ihnen haben vielmehr im Parlament den Fiskalpakt und die Schuldenbremse mitgetragen.

Doch wenn der neoliberale und postdemokratische Umbau Europas gestoppt werden soll, hilft nur noch Frontalopposition. In Europa geht es ums Ganze. Und nicht um ein bisschen Merkel-Vorführen im Wahlkampf.