Illegal im Knast

NACH DEM URTEIL Abschiebehäftlinge dürfen nicht mehr in normale Gefängnisse gesperrt werden. Ein Bundesland lässt sie jetzt frei, andere zögern. Union plant härtere Gesetze

BERLIN taz | Die Richter am Europäischen Gerichtshof waren deutlich: Die deutsche Praxis, vor der Abschiebung befindliche Flüchtlinge in normalen Strafvollzugsanstalten unterzubringen, ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde – und „ohne Ausnahme“ zu beenden.

Knapp eine Woche nach dem Urteilsspruch zeigt eine bundesweite taz-Umfrage indes, dass noch immer einige Länder an dem Vorgehen festhalten. Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Baden-Württemberg wollen die Entscheidung vorerst „auswerten“. Sachsen-Anhalt dagegen reagierte prompt – und ließ alle Abschiebehäftlinge frei. Flüchtlingsverbände kritisierten das Zögern. Alle Abschiebegefangenen seien „sofortig freizulassen“, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.

Die meisten Länder haben heute eigene Abschiebegewahrsame oder bringen ihre Flüchtlinge in solche Einrichtungen in Nachbarländer – sie betrifft das Urteil nicht. Eine grundsätzliche Wende in der Abschiebepolitik bleibt so vorerst aus.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) arbeitet gar an einer Ausweitung der Haftgründe im Zuge einer Reform des Asylrechts. Kritik daran wies er zurück: Es gehe nur darum, „die bestehende Praxis“ von Gerichten und Verwaltungen gesetzlich festzuhalten, sagte er. KO

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