Der freundliche große Junge

Der neue Chef der Jungen Liberalen ist kein kleiner Westerwelle. Wenn Lasse Becker redet, müht er sich zwar ebenfalls um rhetorische Pointen, doch der 27-Jährige wirkt eher wie ein freundlicher großer Junge, nicht wie ein verspannter Musterschüler. Was wie eine bloße Stilfrage wirkt, könnte mitbestimmend sein für die Zukunft der FDP.

Seit dem vergangenen Wochenende ist klar, dass der bei Kassel Aufgewachsene die Nachwuchsorganisation der Freidemokraten führen wird. In einer Kampfabstimmung in Bonn setzte sich der hessische Landesvorsitzende im zweiten Wahlgang knapp durch gegen seinen baden-württembergischen Konkurrenten Leif Schubert. Wie schon der bisherige JuLi-Chef Johannes Vogel, so ist auch dem Jeansträger Becker demonstrativ gepflegtes Lagerdenken fremd. Beide entstammen einer mäßig ideologisierten Generation: Anders als der Parteispitze rund um den Endvierziger Westerwelle fällt es ihnen nicht schwer, Gemeinsamkeiten mit den Grünen herauszustreichen.

Bereits mit ersten Äußerungen nach seiner Wahl zeigte Becker, dass er andere Akzente setzen will, als immer gleich nach Steuersenkungen zu rufen. Mit Blick auf die von der FDP geforderten Steuersenkungen gab Becker zu bedenken: Es müsse auch geschaut werden, „was hinterher finanzierbar ist“.

Wie sein langjähriger Vorgänger Vogel, so setzt auch Becker stark aufs Thema Bürgerrechte. Der neue JuLi-Vorsitzende plädiert für die Abschaffung der Möglichkeit von Onlinedurchsuchungen. Stattdessen sollten mehr Polizisten eingestellt werden, die beschlagnahmte Rechner auch untersuchen.

Eine Karriere in der Partei scheint für den neuen Chef von offiziell 11.000 Jungliberalen vorgezeichnet: Seine Vorgänger Guido Westerwelle, Birgit Homburger und Daniel Bahr haben es vorgemacht. Becker hat in Göttingen Volkswirtschaft studiert. Mit dem mitgliederstarken Landesverband Hessen verfügt er über eine Machtbasis. Becker ist 27, Westerwelle 48 Jahre alt. Vielleicht machen Leute wie Becker dereinst in der FDP die Einsicht mehrheitsfähig, dass abseits der Wirtschaftspolitik Grüne und FDP inhaltlich mehr verbindet als trennt. MATTHIAS LOHRE