„Verlängerung der Laufzeit ist gesetzt“

SPD Umweltministerin von Rheinland-Pfalz über Röttgen und das Energiekonzept der Regierung

■ 57, SPD-Politikerin, ist Umweltministerin in Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz steht der Atommeiler Mülheim-Kärlich, der schon 1988 stillgelegt wurde.

taz: Frau Conrad, Sie wollen raus aus der Atomkraft. Bundesumweltminister Norbert Röttgen hat Sie und Ihre anderen Länderressortkollegen am Donnerstag geladen, um zu debattieren, wie lange die Atomkraftwerke noch laufen sollen. Warum zeigen Sie sich nun so verärgert?

Margit Conrad: Das war eine Alibiveranstaltung, das Ganze war enttäuschend. Es gab keine Diskussionsgrundlage. Es sollte ja eine Information der Länder zum Stand des Energiekonzeptes der Bundesregierung sein. Röttgen hat nichts Konkretes geliefert, auch keine Zwischenergebnisse genannt – und das vier Wochen bevor die Eckpunkte zum nationalen Energiekonzept vorgelegt werden sollen. Er wollte oder konnte nicht reden. Daran wird deutlich, dass der Bund die Länder nicht ernsthaft einbinden will.

Röttgen redet nicht mit Ihnen? Mit wem denn dann?

Offensichtlich mit den Energieversorgern mehr als mit den Ländern und Kommunen. Diese sind massiv betroffen, auch wirtschaftlich, und die Bundesregierung braucht sie für die Umsetzung ihres Energiekonzeptes.

Was wissen Sie denn über das Energiekonzept?

Wir kennen die Szenarien, die zugrunde gelegt werden. Die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ist dabei gesetzt. Alle anderen Vorgaben sind dürftig oder fehlen. Ein Szenario, welches am Atomausstieg bis 2022 festhält, wird erst gar nicht untersucht. Die Bundesregierung lässt zwar ein sogenanntes Trendszenario berechnen, in dem der Ausstieg zugrunde gelegt wird, aber dieses kombiniert sie mit Nichtstun. Es werden also keine anspruchsvollen Ziele bei Energieeffizienz oder dem Ausbau der erneuerbaren Energien mitbetrachtet, die ja längst beschlossen sind. Die Bundesregierung wird damit belegen wollen, dass der Atomausstieg bis 2022 nicht machbar ist. Tatsächlich diskreditiert sie ihr Energiekonzept damit jetzt schon.

Röttgen hat mehrfach gesagt, dass der Ökostromanteil 2030 bei 40 Prozent liegen könne, Atomkraft dann verzichtbar sei. Davon ist jetzt keine Rede mehr?

Darüber hat Röttgen bei unserem Treffen keine klaren Aussagen gemacht. Wer die Atomkraftwerke weiterlaufen lässt, wird den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern, und bei niedriger Nachfrage steht zu viel Energie zur Verfügung. Denn Atomkraftwerke können nicht einfach abgeschaltet werden und sind nicht flexibel genug, um Ausgleichsenergie zu Wind und Sonne zu liefern. Das geht alles nicht zusammen.

Die Experten von Prognos, die das Energiekonzept der Regierung entwickeln, sehen das anders. Sie warnen in Studien vor dem Ausstieg, da eine Stromlücke drohe und Atomstrom importiert werden müsse.

Ich fürchte, dass solche Aussagen die Eckpunkte des Energiekonzepts bestimmen, auch wenn das Unsinn ist. Den Mythos von der Stromlücke widerlegen andere Studien, aber auch das Umweltbundesamt oder der Sachverständigenrat für Umweltfragen, alles Berater der Regierung.

Wird Strom denn teurer, wenn die Atomkraftwerke vom Netz gehen?

Dies ist eine der großen Lügen der Verfechter der Atomindustrie. Laufzeitverlängerungen machen Strom nicht billiger, aber vier Energiekonzerne mächtiger.

Glauben Sie an eine Einigung auf den Ausstieg aus dem Atomausstieg?

Wenn die Bundesregierung klug wäre, dann würde sie von Laufzeitverlängerungen Abstand nehmen, weil sie dafür keine Mehrheit in der Länderkammer hat, die zustimmen muss. Aber ich rechne nicht damit. Umgeht sie den Bundesrat, wird Rheinland-Pfalz klagen.

INTERVIEW: HANNA GERSMANN