Das leise Nein von Schwarz und Gelb

RENITENZ Am Freitag verlängert der Bundestag den Afghanistan-Einsatz. Drei bei Union und FDP sind dagegen

 Der Termin: Am kommenden Freitag berät der Deutsche Bundestag abschließend zum Bundeswehr-Mandat in Afghanistan und stimmt darüber ab.

 Die Mehrheiten: 2010 stimmten 429 Abgeordnete mit Ja (69 Prozent), 111 mit Nein, 46 enthielten sich. Unter Rot-Grün war besonders die erste die Abstimmung knapp, die Kanzler Gerhard Schröder mit der Vertrauensfrage verbunden hat. Am 16. November 2001 stimmen 336 Abgeordnete für ihn, nur 2 mehr als für die absolute Mehrheit erforderlich.

VON GORDON REPINSKI

Deutscher Bundestag, Plenum, zu einem unbekannten Zeitpunkt: Mit blauem Auge und verstruppelter Frisur steht der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen am Rednerpult. Gerade hat ihn eine norddeutsche Kuh wutschnaubend angefallen und per Kopfstoß von der heimischen Flensburger Weide in die Hauptstadt gerammt. „Auch wenn es mal ein bisschen wehtut“, kommentiert Börnsen, „ich vertrete gerne eure Interessen in Berlin.“

So weit der Comic, so weit die Fiktion auf www.wolfgang-boernsen.de, der Internetseite des Abgeordneten für den Wahlkreis Flensburg-Schleswig.

Natürlich, sagt Börnsen, sei der Comic auch eine Anspielung auf sein Abstimmungsverhalten beim Afghanistan-Einsatz. Denn wenn das Parlament kommenden Freitag das Bundeswehr-Mandat um ein weiteres Jahr verlängert, wird der 68-Jährige wieder einer der ganz wenigen in Reihen der Union sein, der mit Nein stimmt. Keine populäre Position – besonders in der CDU.

Seit 2002 sind deutsche Truppen in dem blutigsten und gefährlichsten Einsatz der Bundeswehr seit dem Zweiten Weltkrieg, drei unterschiedliche Regierungen haben ihn von Jahr zu Jahr weitergetragen. Dabei gab es zuletzt stets eine solide Mehrheit. Im vergangenen Jahr stimmten 429 Abgeordnete für den Einsatz, 111 dagegen. Neben der SPD und einem Teil der Grünen unterstützten gerade CDU und FDP den Einsatz mehrheitlich.

Aber auch in den Regierungsfraktionen gibt es sie, die Ablehner. Drei waren es im vergangenen Jahr – bei 299 Pro-Stimmen. Die Ablehner können das Mandat nicht kippen, doch trotzdem ist es keiner Fraktionsspitze egal, wenn die eigenen Leute nicht folgen. Offiziell heißt es, dass die Ablehner akzeptiert werden. Aber je näher die Abstimmung rückt, desto eindringlicher erinnern Fraktionsobere daran, dass es besser aussieht, wenn die Partei zusammensteht.

Wolfgang Börsen hält es für besser, das anders zu machen. Er trägt einen grauen Bart, der ihn eindeutig den nordischen Bundesländern zuordnet. „Für ein Land, das den Zweiten Weltkrieg verantwortet hat, halte ich Krieg als Mittel der Politik nicht für verantwortbar“, sagt der Abgeordnete, der eigentlich Kultur- und Medienpolitiker ist.

Befragt man ihn über seine Motive, erzählt er irgendwann, dass er seinen Vater im Zweiten Weltkrieg in Rumänien verloren hat und zwei Onkel. „Die Verwerfungen des Krieges habe ich in der ganzen Familie lange gespürt“, sagt er. Die Sätze kommen jetzt etwas leiser.

Nach dem Krieg wächst Börnsen schnell in eine Rolle hinein, die dem Jungen viel Verantwortung auflastet. Er beschließt, den Krieg auf seine Weise zu verarbeiten. Mit 16 Jahren geht er in ein Land, das damals, in den Fünfzigerjahren, ganz weit weg ist von Deutschland – nach Frankreich. Er schließt sich dem „Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge“ an. In einer Gruppe von zwanzig Jugendlichen reist Börnsen nach Verdun, um dort Gräber von französischen Soldaten zu pflegen, die geschändet wurden oder um die sich sonst niemand kümmert. Verdun, das ist der Ort, an dem deutsche Soldaten wenige Jahre zuvor tausende Franzosen getötet hatten.

Sehr gemischt seien die Erfahrungen vor Ort gewesen, erinnert sich Börnsen. „Große Skepsis und Ablehnung“ habe er gespürt. Aber auch positive Reaktionen von Franzosen, die erstmals bemerken konnten, dass eine neue Generation von Deutschen heranwächst. „Das hat überwogen“, sagt er. Das nimmt er mit, „so was prägt natürlich auch.“ Es folgt ein Aufenthalt in Indien, wo er für einen Entwicklungsdienst Leprakranke betreut, schließlich bereist er die USA.

Aus diesen Erfahrungen hat sich seine Einstellung herausgebildet, die so untypisch für die CDU ist. „Ich lehne Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich ab“, sagt Börnsen. Lediglich die Verteidigung des eigenen Territoriums findet er akzeptabel. Dazu zählt er auch Schiffe, weshalb er den Einsatz gegen Piraterie befürwortet.

Für den kommenden Freitag ist sein Abstimmungsverhalten damit geklärt: „Ich stimme gegen das Mandat.“

Gegen Hilfe für ein korruptes Regime

Wie Börnsen wird auch ein anderer Schleswig-Holsteiner gegen den Einsatz sein: der FDP-Landesvorsitzende Jürgen Koppelin. „Ich werde mit Nein stimmen“, sagt Koppelin. „Wir können unseren Soldaten nicht zumuten, dass sie ein korruptes Regime unterstützen.“

Anders als Börnsen lehnt Koppelin Auslandseinsätze nicht grundsätzlich ab. Den Einsatz in Afghanistan findet er jedoch „unverantwortlich“. Es könne nicht sein, „dass wir Soldaten mit schlechtem Material dorthin schicken“.

Ähnlich wie Börnsen erzählt Koppelin, dass sich seine Fraktionskollegen mit seiner jahrelangen Renitenz mittlerweile abgefunden haben. „Das ist eine Gewissensentscheidung.“

Und auch der Dritte in der Reihe der Ablehner aus dem vergangenen Jahr, der CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe, bleibt bei seiner Entscheidung. „An meiner prinzipiellen Haltung hat sich nichts geändert“, sagt Kolbe, ein Finanzpolitiker aus Sachsen.

Auch wenn die drei in ihren Fraktionen allein mit ihrer Meinung stehen, müssen sie sich nicht einsam fühlen. Denn auch in der SPD und bei den Grünen sind die Ablehner in der Minderheit – nur die Linksfraktion sagt geschlossen Nein. Lediglich eine Bundestagspartei wird geschlossen für den Einsatz stimmen: die CSU.