Frankreichs Justiz will Unabhängigkeit: Hartnäckige Untersuchungsrichter

Erst vor kurzen protestierten 127 Staatsanwälte öffentlich dagegen, dass sie sich den Weisungen des Justizministeriums unterzuordnen haben. Es scheint gewirkt zu haben.

Bild: reuters

PARIS taz | Der Chirac-Prozess könnte am Ende als Lehrstück für die Notwendigkeit der Gewaltentrennung in die französische Rechtsgeschichte eingehen. Dieses staatstheoretische Prinzip der Unterscheidung zwischen gesetzgeberischen und ausführenden Behörden und der Justiz beansprucht Frankreich als sein ureigenstes Kulturerbe.

Die Urheberschaft beansprucht man für Baron de Montesquieu, einen Vordenker der Aufklärung. Der müsste sich nach einer kurzen Inspektion des gegenwärtigen französischen Staatswesens und seiner Justiz beschämt im Grabe umdrehen.

Vom Ancien Régime der absoluten Monarchie hat nämlich die heutige Fünfte Republik ein zentralistisches System geerbt, bei dem sich die Staatsspitze, der vom Volk gewählte Präsident, seine Berater und seine Regierung, über die Regeln der demokratischen Vernunft und des republikanischen Anstands immer wieder hinwegsetzen.

Die dabei vorgeschobene Staatsräson hätte es auch gewollt, dass ein früherer Präsident und Gründer der heutigen Regierungspartei nicht vor Gericht gezerrt würde. Dazu hat zuerst Jacques Chirac selber alles getan, was in seiner Macht stand.

Nur aufgrund hartnäckiger Untersuchungsrichter (deren Funktion der jetzige Präsident Nicolas Sarkozy abschaffen will) kam es gegen den Willen der Hierarchie doch zum Prozess.

Wie danach die Pariser Staatsanwaltschaft zuerst die Einstellung aller Ermittlungen wünschte und anschließend entgegen jeder Verhandlungslogik einen Freispruch forderte, verdeutlichte die Probleme der Gewaltentrennung.

Es ist nämlich üblich und bekannt, dass das Justizministerium den Staatsanwälten ständig Weisungen erteilt. Grundsätzlich steht es diesen frei, die Direktiven zur Prozedur oder für ihre Plädoyers zu befolgen oder nicht.

Zumindest den auf ihre Karriere bedachten öffentlichen Anklägern aber ist der Wunsch der Staatsführung ein Befehl. Vor wenigen Tagen erst haben 127 Staatsanwälte in einer öffentlichen Stellungnahme gegen diese hierarchische Unterordnung protestiert.

Dass dies ausgerechnet im Chirac-Prozess zum Schluss nicht der Fall war, grenzt für die meisten Gerichtsbeobachter schon fast an ein Wunder oder eben eine bewusste Widerstandsaktion der Justiz, die auf ihre Autonomie pocht.

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