Der Komiker mit dem Pfahl

Er hat in Dutzenden Filmen mitgespielt, stand ungezählte Male auf der Theaterbühne, sprach in Hörspielen, moderierte sogar einst, 1968, den Deutschen Schlager-Wettbewerb. Aber ein gewisser Film hat ihn, Walter Giller, im besten Sinne als Antiheld in die deutsche Nachkriegsgeschichte eingeschrieben: Es war in der Rolle des Rudi Kleinschmidt, die er in Wolfgang Staudtes „Rosen für den Staatsanwalt“ gab. Wie er diese Figur gab, scheu, ein bisschen lebenswackelig, unbeholfen, irgendwie grundfreundlich, auf jeden Fall kein dröhnender Macker, das war perfekt. Denn diese Figur war ein zum Tode Verurteilter, der in den letzten Nazitagen noch gerade vor seiner Exekution fliehen konnte. 14 Jahre später erkennt er seinen damaligen Staatsanwalt wieder, einen furchtbaren Juristen, den Martin Held gab. Giller aber ist der Mann, auf den es ankam: kein Nazi, ein Überlebender, der nicht wie all die Exhitleristen an Gerichten, in Verwaltungen, in der Politik unterkamen.

Es war ein deutscher Jack Lemmon, ein Komiker, der später an der Seite Peter Frankenfelds den torkelnden, leicht beschwipsten Typ gab – und irgendwie immer charmant, nicht enthemmt oder entgrenzt daherkam. Giller, seit 1956 glücklich mit seiner Kollegin Nadja Tiller verheiratet, ist einer der wenigen deutschen Schauspieler der Fünfziger und Sechziger, die ihr Altwerden auch beruflich gut überstanden haben: Nostalgisches oder Sentimentales war ihm fremd, er blieb, was er war – ein Zufriedener im Grundsätzlichen.

Giller, den man heutzutage nur fälschlich als Urahn der deutschen Comedyszene nehmen könnte, weil er sich wahrhaft nie auf Kosten und zu Lasten anderer böse lustig machte, sondern am Ende sich immer am Pfahl im eigenen Auge abarbeitete, hatte dieses gewisse Etwas, das nur Komiker wie Heinz Ehrhard oder heute Olli Dittrich und Anke Engelke haben: ein stupendes Gefühl für den Moment der Pointe, der freilich harte Probenarbeit voraussetzte. Giller, 1927 in Hamburg in eine Medizinerfamilie hineingeboren, ist am Donnerstag im Alter von 84 Jahren in seiner Heimat an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.

JAN FEDDERSEN

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