„Ich habe keine Antwort bekommen“

NAZITERROR Die ersten Zeugen im NSU-Ausschuss belegen die miese Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden

„Ein Trauerspiel, dass Sie förmlich um Daten betteln mussten“

CLEMENS BINNINGER (CDU), AUSSCHUSSMITGLIED

AUS BERLIN WOLF SCHMIDT

Drei Monate nach seiner Einsetzung hat der Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) seine ersten Zeugen befragt. Gleich mehrere der für die Ermittlungen in der Mordserie zuständigen Polizeibeamten und Staatsanwälte sollten am Donnerstag Rede und Antwort stehen. Dabei bestätigte sich die miese Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz.

Der ehemalige Leiter der damals in Nürnberg angesiedelten Soko „Bosporus“, Wolfgang Geier, beklagte sich, dass eine seiner Anfragen an den bayerischen Verfassungsschutz fast ein dreiviertel Jahr gedauert habe. „Das fand ich nicht normal“, sagte Geier dazu.

Nach langen Ermittlungen in die falsche Richtung war ein Polizeiprofiler im Frühjahr 2006 zum ersten Mal einer Spur in die rechte Szene gefolgt, glaubte aber fälschlicherweise, der Täter müsse in Nürnberg wohnen. Erst im März 2007 habe Geier die von ihm angeforderte Liste mit den Namen fränkischer Rechtsextremer bekommen, sagt er. „Das ist ein Trauerspiel“, kommentiert Clemens Binninger, Obmann der Union im Ausschuss, „dass Sie förmlich um Daten betteln mussten.“

Fassungslos reagierten die Abgeordneten, als der ehemalige Soko-Chef Geier von seiner Suche nach einem Ansprechpartner beim Bundesamt für Verfassungsschutz berichtete. Anfang 2006 verlangte Geier nach eigener Angabe dort nach einem Zuständigen: „Ich habe leider keine Antwort bekommen.“

Allerdings musste der Ex-Soko-Leiter auch einräumen, dass er selbst nie Kontakt zu den Verfassungsschutzbehörden anderer Bundesländer außerhalb Bayerns aufgenommen habe, um der Spur in die rechte Szene nachzugehen. Er finde es „hochgradig verwunderlich“, dass man bei einer bundesweiten Mordserie nicht bei allen 17 Verfassungsschutzämtern nachgefragt habe, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD).

Als es noch nicht um die Spur nach rechts ging, sondern darum, die Opfer auf eine vermutete Verbindung zur kurdischen PKK oder zu den türkisch-nationalistischen Grauen Wölfen abzuklopfen, scheint laut der Ausschussakten die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten noch funktioniert zu haben. Entsprechende Anfragen seien über den bayerischen Verfassungsschutz weitergeleitet worden, sagte Ex-Soko-Chef Geier. Er selbst habe mit dem BND besprochen, ob ein ausländischer Geheimdienst in die Taten verwickelt sein könne.

Die Befragung der Zeugen dauerte bis in den Abend an. Auch in der kommenden Sitzung sollen Polizisten gehört werden. Vertreter der Verfassungsschutzbehörden werden erst zu einem späteren Zeitpunkt befragt. Mit Spannung erwartet werden vor allem die Aussagen der Vertreter aus Thüringen, wo die Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 1998 untertauchten.