Athen vor Neuwahlen

GRIECHENLAND Parteien können sich nicht auf eine neue Regierung einigen. Nun darf das Volk im Juni erneut die Wahlurnen füllen

■ In Griechenland hat sich die wirtschaftliche Talfahrt zu Jahresbeginn fortgesetzt. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent, wie das Statistikamt am Dienstag in Athen mitteilte. Es ist bereits das siebte Quartal mit negativen Wachstumsraten. Ende 2011 hatte die Wirtschaft des Landes auf Jahressicht ein Minus von 7,5 Prozent verkraften müssen. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Talfahrt erst nächstes Jahr zum Stillstand kommt und die Wirtschaft zumindest stagniert. Für 2012 sagt die Brüsseler Behörde dem Euro-Land ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 4,7 Prozent voraus. (rtr, dpa)

AUS ATHEN JANNIS PAPADIMITRIOU

Nach acht Tagen fieberhafter Verhandlungen steht fest: Neuwahlen sind unausweichlich in Griechenland. Mehrere Krisensitzungen unter Vorsitz des Staatspräsidenten kamen zu keinem Ergebnis. Auch die Idee einer Regierung aus Experten brachte die Verhandlungen nicht weiter. Jeder Parteichef weiß nun zu berichten: Er habe alles getan, was in seiner Macht stand, um Neuwahlen zu verhindern und stabile Verhältnisse zum Wohl des Landes herbeizuführen. Und schuld seien natürlich nur die anderen.

Fast stereotyp klingen diese Berichte der Parteiführer, und so mancher Wähler glaubt, dahinter eine versteckte Drohung zu erkennen: „Entweder ihr lasst euch von meiner Partei retten, oder das Land geht zugrunde.“

Für den Mittwoch hat Griechenlands Staatspräsident Karolos Papoulias nach dem endgültigen Scheitern eine weitere, letzte Sitzung mit den Parteichefs anberaumt. Doch dort wird es nicht mehr um die Bildung einer neuen Regierung gehen, sondern nur noch um Neuwahlen. Diese sind für den 10. oder 17. Juni geplant. Bis dahin wird eine Interimsregierung die Geschicke Griechenlands steuern. Bei den Neuwahlen hat der linke Parteienblock Syriza gute Chancen, zur stärksten Partei zu werden. Deren Chef, Alexis Tsipras, will zwar den Euro unbedingt in Griechenland beibehalten, der linke Populist lehnt aber die mit EU und IWF vereinbarten Sparanstrengungen strikt ab.

Zum Hauptdarsteller der vergangen Tage avancierte dagegen der Rechtspopulist Panos Kammenos, Chef der „Unabhängigen Griechen“, die bei der letzten Wahl mit antieuropäischer Stimmungsmache über 10 Prozent der Stimmen und 33 Parlamentssitze bekamen. Wie das Präsidialamt am Dienstag mitteilte, hat Kammenos zunächst sein Einverständnis zu einer Mehrparteienregierung signalisiert, anschließend aber in einem informellen Brief hochgesteckte Bedingungen diktiert, etwa dass die „Unabhängigen Griechen“ den Verteidigungsminister im neuen Kabinett stellen und alle Politiker Griechenlands sich auf „Gefahren für die nationale Sicherheit des Landes“ gefasst machen.

Der Rechtspopulist dementierte diese Meldung und sprach von einer Provokation, ja sogar von Urkundenfälschung. Der Staatspräsident als hemmungsloser Fälscher? Mitarbeiter von Kammenos erklärten Journalisten hinter vorgehaltener Hand, in Wahrheit habe der konservative Parteiführer Antonis Samaras hinter der Provokation gesteckt. Jedenfalls ließ sich Kammenos nach wenigen Stunden besänftigen und kam dann doch zum letzten Krisengespräch beim Staatspräsidenten.

Dafür hatte die Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), Aleka Papariga, keine Lust mehr und sagte den Termin beim Staatspräsidenten kurzfristig mit der Begründung ab, die KP sei grundsätzlich gegen die anvisierte Expertenregierung. Sie hat nicht viel verpasst.