Große Koalition im Schacht

ASSE Applaus sogar von den Gegnern: Umweltminister will marode Atommüllfässer schneller entsorgen

■ Der weitaus größte Teil der rund 47.000 Kubikmeter an radioaktiven Abfällen, die in den 13 Kammern des ehemaligen Salzbergwerks Asse II lagern, stammen nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz aus Anlagen der heutigen Atomkraftwerk-Betreiber Eon, Vattenfall Europe, RWE und EnBW. Es sind etwa 85 Prozent. Der Rest stammt unter anderem aus der Verwendung von radioaktiven Stoffen in Forschungsinstituten, Industrie und medizinisch-biologischen Laboratorien und von der Bundeswehr.

AUS REMLINGEN MALTE KREUTZFELD

Am Ende geht alles sehr schnell. Ein Knopfdruck im Salzstock in 750 Meter Tiefe, und schon ist auf der Leinwand zu sehen, wie sich nebenan in einem abgeschirmten Sicherheitsbereich im Bergwerk Asse ein gewaltiger Bohrer zu drehen beginnt. „Ein großer Schritt zur Lösung eines drängenden Problems“, kommentiert Umweltminister Peter Altmaier. „Aber nur ein kleiner Schritt auf einem langen Weg“, ergänzt Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, der Altmaier durch die Stollen führt.

Die Bohrung, die am Freitag begann, ist der Startschuss zur Bergung des Atommülls aus dem Salzstock, der wegen Wassereinbrüchen und Einsturzgefahr als große Bedrohung gilt. In etwa sechs Wochen sollen 20 Meter durchstoßen werden, bis zur Kammer 7 – einer der zugeschütteten Hohlräume, in der Atommüll lagert. Die Vorbereitungen hatten viel Zeit in Anspruch genommen. In sieben Monaten waren allein für das Bohrgestänge 1.600 Seiten Auflagen und Anleitungen zusammengestellt worden, insgesamt sind es für die Bohrung schon über 11.000. Nach geltendem Atomrecht müssen auch bei vorbereitenden Arbeiten viele komplizierte Auflagen erfüllt werden.

Und auch hier kündigte Altmaier konkrete Veränderungen an. „Ich werde tun, was ich kann, um die Rückholung des Atommülls zu beschleunigen“, sagte er. Dabei strebe er einen Konsens mit der Opposition an, die schon lange ein sogenanntes Lex Asse fordert, das Verfahren vereinfachen soll. Unmittelbar nach der Sommerpause sollen die Arbeiten an Gesetzesänderungen beginnen, im ersten Halbjahr 2013 könnten sie verabschiedet werden, sagte Altmaier.

Symbolisch: Gemeinsamer Knopfdruck von Altmaier und Gabriel

Dass er keine Alleingänge plant, sondern Wert auf parteiübergreifenden Konsens legt, hatte Altmaier schon dadurch gezeigt, dass er persönlich den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel eingeladen hatte, ihn in den Schacht zu begleiten. Gemeinsam drücken sie auf den Knopf. Gabriel, in dessen Wahlkreis die Asse liegt, lobt seinen Amtsnachfolger: „Wir hatten zweieinhalb Jahre einen Minister, der sich nicht getraut hat, etwas zu entscheiden“, sagte er über die Amtszeit von Norbert Röttgen. „Wenn sich das jetzt ändert, ist das nur zu begrüßen.“

Selbst bei den Mitgliedern von Anti-Atom-Initiativen, die am Morgen vor der Asse demonstrierten, machte der Minister Eindruck: Mit dem Ausruf „Erst mal zu den Leuten“ drängt sich Altmaier an der Presse vorbei, um die Demonstranten zu begrüßen. „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie alle meine Entscheidungen richtig finden. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass ich vor jeder Entscheidung mit Ihnen reden werde“, sagt er – und sorgt damit dafür, dass der Applaus die vereinzelten Pfiffe deutlich übertönt. „Er war viel konkreter als Röttgen“, sagt etwa Aktivist Rolf Bertram. Der Dialog soll fortgesetzt werden: Mindestens alle sechs Monate will Altmaier die Asse besuchen.