Mit deutschen Tugenden

SPORT Am Freitag startet die Fußball-Bundesliga der Männer zum 50. Mal. Der FC Bayern setzt auf Killerinstinkt, Zweikampfstärke, Aggressivität, Laufbereitschaft und Siegeswille

■ Der Termin: Am Freitag um 20.30 Uhr startet die Bundesliga zum 50. Mal: Der aktuelle deutsche Meister Borussia Dortmund trifft auf den SV Werder Bremen. Das Spiel wird live in der ARD übertragen.

■ Die Geschichte: Am 24. August 1963 fand das erste Spiel der Bundesliga statt – die Saison startete ebenfalls mit einem Spiel zwischen Dortmund und Bremen. Das erste Tor schoss der Dortmunder Timo Konietzka nach 58 Sekunden. Erster Meister wurde der 1. FC Köln mit sechs Punkten Vorsprung auf den Meidericher SV.

VON ALEM GRABOVAC

Unsere geliebte Bundesliga wirkt zu ihrem 50. Geburtstag jung, frisch und dynamisch: Die Stadien sind voll, die Umsätze steigen. In der Uefa-Tabelle der stärksten europäischen Ligen steht sie, hinter der spanischen Primera División und der englischen Premier League, auf Platz drei. Italien wurde überholt, ein zusätzlicher Champions-League-Platz steigert das Renommee. Die Bundesliga boomt, das deutsche Fußballoberhaus gehört zur europäischen Spitze.

Dann ist doch alles gut, könnte man meinen. Na ja, fast alles – denn es fehlen, ähnlich wie bei der Nationalmannschaft, die internationalen Titel. Der letzte Champions-League-Sieg: Bayern München im Jahre 2001. Der letzte Europa-League-Sieg: Schalke 04 im Jahre 1997. Was ist los mit den Deutschen? Weshalb verlieren sie ein Finale nach dem anderen? Kann Deutschland nur noch Zweiter?

Direkt nach dem letzten verlorenen Champions-League-Finale sagte FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß mit seinem berühmten hochroten Kopf: „Aber vielleicht müssen wir uns fragen, warum es so passiert ist, ob das die Spieler sind, die das erzwingen. Ob wir davon genug haben.“ Übersetzt heißt das: Manuel Neuer, Bastian Schweinsteiger und Co. sind ein Produkt der Generation Golf. Sie sind nett, lieb und bisweilen sogar eloquent. Sie machen Werbung für Nutella und Müller Milchreis. Aber ihnen fehlt, was Oliver Kahn und Matthias Sammer noch hatten: die Ecken und Kanten, die nötige Härte und der nötige Biss, um am Ende zu siegen.

Ehrgeiz und Disziplin

Hoeneß handelte: Er verpflichtete Sammer als Sportdirektor. Der steht für Ehrgeiz, Disziplin, Willenskraft und eine unerschütterliche Siegermentalität – mit ihm als Führungsspieler wurde die deutsche Nationalmannschaft 1996 Europameister.

In den vergangenen Jahren war Sammer als Sportdirektor für die Junioren-Nationalmannschaften zuständig. Dort sagte er: „Es wurde zu lange der Fehler gemacht, sympathische und angepasste Spieler hervorzubringen. Das erzeugte flache Hierarchien in den Teams. Aber vor allem unangepasste Spieler gehen extrem kompromisslos an ihre Herausforderungen heran.“ Sammer entwickelte eine Fibel für alle Jugendnationalspieler, einen Wertekatalog, in dem viel über deutsche Tugenden zu lesen ist. Im Motivationsfilm zum Leitfaden sagt er: „Zweiter oder Dritter zu sein, bei allem Respekt, was vielleicht auch gut ist, ist mir eben nicht gut genug. Wir wollen auch Titel gewinnen!“ Unter seiner Führung wurde die U 17, U 19 und die U 21 Europameister.

Sammer wurde von den Bayern verpflichtet, um den Spielern wieder jenen Siegerwillen einzuimpfen, der ihnen zuletzt gefehlt hat. Seit Wochen beobachtet er jede Trainingseinheit. Er lacht wenig, ist hoch konzentriert. Wie ein Wachhund steht er im Hintergrund, jederzeit bereit, bei der noch so kleinsten Nachlässigkeit unerbittlich loszubellen und zuzubeißen. Einmal hat er bereits zugebissen: Jörg Butt, der seit dieser Saison den Nachwuchsbereich koordinieren sollte, ist nach nur wenigen Wochen zurückgetreten. Es scheint, als hätte er nicht in Sammers neue Kampfphilosophie gepasst.

Und gebellt hat er auch schon, der Sammer. Gefragt, ob die Nationalspieler nach der anstrengenden Europameisterschaft zum Saisonauftakt schon wieder fit seien, antwortete Sammer, dass er in seinem ganzen Leben keine drei Wochen Urlaub gehabt habe und der FC Bayern von Anfang an erfolgreich spielen müsse. Er forderte bedingungslosen Einsatz, und wer den nicht bringe, der könne den Verein gern verlassen. Der FC Bayern müsse wieder Titel holen. So etwas hören sie gern in der Zentrale des Fußballclubs. Die Bayern wollen keine „Vizebayern“ mehr sein.

Buddha-Klinsmann ist out

„Wir geben den Jungs unser Trikot, dafür wollen wir ihre Stimme“

FC-BAYERN-SPORTDIREKTOR SAMMER WILL DIE NATIONALHYMNE HÖREN

Die Zeit der Experimente ist vorbei: Buddha-Klinsmann und Ballbesitzfetischist Louis van Gaal sind out! Jupp Heynckes und Matthias Sammer setzen auf die guten alten deutschen Tugenden: Mit Zweikampfstärke, Laufbereitschaft, Aggressivität, Disziplin, Killerinstinkt und absolutem Siegeswillen sollen wieder internationale Erfolge errungen werden. Aber wird das ausreichen?

Vielleicht sollte sich Sammer da an noch etwas erinnern. Nach dem EM-Ausscheiden hatten sich einige Sportfunktionäre und Politiker darüber aufgeregt, dass ein paar Spieler – insbesondere die mit Migrationshintergrund – die Nationalhymne nicht mitgesungen haben. Auch Matthias Sammer hatte dies verärgert. Sammers Appell lautete: „Wir geben den Jungs unser Trikot, dafür wollen wir ihre Stimme.“

Folgerichtig müsste nun, in der neuen Bayern-Fibel, eine Singpflicht für alle Bayern-Spieler verordnet werden. Boateng, Schweinsteiger, Lahm, Gomez, Robben und Ribéry sollten nun – und zwar vor jedem Spiel – die Vereinshymne „FC Bayern – Stern des Südens“ lautstark intonieren.

Alle deutschen Clubs sollten diese Gesangspflicht einführen, denn wenn endlich alle sängen, dann würde alles auch wieder gut werden, und Deutschland und die deutschen Vereine gewännen auch wieder Titel. Wirklich: Versprochen!