PETER UNFRIED DIE EINE FRAGE
: Der Schwager mit dem iPad

Gehen Sie nächstes Jahr wieder fünf Wochen in Urlaub, Nils Schmid? Anruf beim Vize von Baden-Württemberg

Nachdem er zwölf Monate durchgebockelt hatte, verabschiedete sich Baden-Württembergs stellvertretender Ministerpräsident Nils Schmid, SPD, Ende Juli für fünf Wochen in die Türkei. Doch schon bald folgte ihm heimatliche Aufregung in das Land, aus dem seine Frau Tülay Schmid kommt.

Schmid, 39, ist immerhin „Superminister“ für Wirtschaft und Finanzen, und im September muss er einen sicher kontroversen Super-Doppelsparhaushalt vorlegen, diskutieren und von der grün-roten Mehrheit im Landtag beschließen lassen. Und dann ist er fünf Wochen lang weg?

Ich persönlich halte das für progressiv und symbolisch wichtig, wenn ein Mann in einem verantwortungsvollen Spitzenjob, Frau, kleine Tochter und Familienarbeit nicht komplett abkoppelt, sondern neue Wege sucht, um zumindest dranzubleiben. Andere sagen sogar, es wäre noch besser, wenn Schmid zehn Wochen fehlen würde. Aber den meisten ist sein Urlaub eindeutig zu lang. „Darf ein Superminister das?“, fragte Bild. „Grob fahrlässig“, ächzte die Opposition. Und selbst die unkrawallige Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann tauchte durch einen besorgten Brief an den „lieben Nils“ – und einen entsprechenden Verteiler – auch mal in den Nachrichten auf. Danach kam Schmid kaum mehr zum Urlauben, weil er ständig erklären musste, dass er auch aus der Türkei sein Ministerium bei der Arbeit am Haushalt anleite. Und als er schon dachte, jetzt sei es gut, komme auch noch ich mit meiner Frage: „Gehen Sie nächstes Jahr wieder fünf Wochen in Urlaub, Herr Minister Schmid?“

Die Sache ist nicht nur Sommertheater, sondern hat Dimensionen: Zum einen enthält sie Neid (fünf Wochen Urlaub!), zum Zweiten von außen kaum zu beurteilende fachliche Aspekte. Zum Dritten geht es auch um die Grundsatzfrage, was Spitzenpolitiker wirklich müssen oder nicht dürfen. Also: Was geht denn nun nicht – wenn Sigmar Gabriel während der Elternzeit dauernd für die SPD arbeitet oder wenn er als SPD-Vorsitzender drei Monate tatsächlich nur Familienarbeit macht?

Minister Schmid ruft um die Mittagszeit zurück. Er wirkt ernst, aber nicht offiziös.

Er nennt seine Argumente, warum die fünf Wochen Abwesenheit überhaupt kein Problem sind. Alles sei vorbereitet gewesen, er sei in ständigem Kontakt und arbeite täglich.

Ob er ein Büro hat, in dem er jetzt sitzt, frage ich.

Nein, hat er nicht, braucht er auch nicht.

Sondern?

Er hat bei Izmir ein 2-Zimmer-Apartment in einem Apart-Hotel gemietet. Mit Küche. Er hat iPad und Mobiltelefon dabei, und damit arbeitet er.

Also ganz normal. Und sonst?

Sonst widmet er sich der Familie und besucht die Schwiegereltern, Freunde, Bekannte. Dort ist er der „eniste“, der Schwager. Nicht der Superminister. Noch mal: Die entscheidenden Sachen könnten eh erst im September passieren und auch Dinge, die seine persönliche Anwesenheit erforderten, alles sei im Plan, und auch Frau Sitzmann bekomme ihre Unterlagen rechtzeitig. Das hört sich an, als ob er das durchziehen will?

Er sieht das schon auch als „Spagat“ zwischen der Verantwortung für das Amt und für die Familie. „Aber für die Familie braucht man auch mal Zeit.“

Superschwager, Superminister. Nächsten Sommer ist er also wieder fünf Wochen weg?

„Nein.“

Peter Unfried ist Chefreporter der taz Foto: Anja Weber