Facebook will googeln lernen

SUCHMASCHINEN „Graph Search“ soll den Monopolisten verdrängen – in Kooperation mit Microsofts „Bing“

Die Facebook-„Likes“ und -„Shares“ haben eine Weltkarte des Konsums geschaffen

VON DANIÉL KRETSCHMAR

BERLIN taz | Als Mark Zuckerberg am Dienstag im Facebook-Hauptquartier in Menlo Park die neue Suchfunktion „Graph Search“ vorstellte, war klar: Das soziale Netzwerk wagt den Angriff auf den Monopolisten Google, die Suchmaschine, die alle Vorgängerinnen verdrängt hat und bislang jede neue Konkurrenz – ob crowdgesourct und unabhängig oder konzerngebunden– an der Seitenlinie hält.

Der Zeitpunkt ist gut gewählt. „Google+“, der Versuch des Suchmonopolisten, ein eigenes soziales Netzwerk aufzubauen, findet nicht genug Zuspruch. Gelingt es Google aber nicht, die NutzerInnen im eigenen Kosmos zu halten, werden sich neue, konkurrierende Ideen Bahn brechen. Schließlich ist der Wert der personenbezogenen Userdaten alles, was wirtschaftlich zählt. Und der steigt, je umfassender deren Profile sind – denn was die Werbewirtschaft zahlt, ist die dabei entstehende Datensammlung.

Dabei haben sich bislang zwei Wege als praktikabel erwiesen: Die unmittelbare Preisgabe von Interessen und persönlichen Daten in sozialen Netzwerken wie Facebook – oder die vermittelte Informationssammlung per Suchmaschine, die aus der Vielzahl der Anfragen Rückschlüsse auf Userinteressen und -eigenschaften ermöglichen.

Dass sich das wirtschaftlich lohnt, zeigen sowohl die Börsenwerte von Google (über 140 Milliarden Euro) als auch von Facebook (über 60 Milliarden). Der zwangsläufig nächste Schritt in der Konzentration des Informationsflusses ist die Verbindung von Suche und sozialer Vernetzung. Deshalb wagt Facebook nun den großen Wurf und dringt in das Feld der Netzsuche vor.

Die Ausgangsposition ist günstig: Die Facebook-„Likes“ und -„Shares“ haben in den vergangenen Jahren eine Weltkarte des Konsums und sonstiger privater Interessen geschaffen, bestehend aus mehr als einer Billionen Verbindungen zwischen Menschen, Bildern, Texthappen, Angeboten, Einladungen und Wünschen – und letztlich potenziellen KundInnen und Produkten. Doch dieses System hat auch Schwachstellen. So ist der Suchkorpus bei Facebook – anders als bei Google – auf aktive NutzerInnen des Netzwerks begrenzt.

Hier kommt die seit Jahren bestehende strategische Partnerschaft mit Microsoft ins Spiel. Seit 2009 ist deren Suchmaschine „Bing“ Facebooks Tor ins restliche Internet. Jetzt soll sie die Leerstellen in der internen Suche füllen. Das Kalkül: Die Internetsuche auf externen Seiten – also auf Google oder anderen Suchmaschinen (siehe Text unten) – soll für Social-Network-NutzerInnen überflüssig werden.

Facebooks neuer, direkter Angriff auf Googles Kerngeschäft kann eine Entscheidung darüber herbeiführen, wer die Kontrolle des Informationsflusses auf die nächste Stufe heben wird. Den ersten Kommentar dazu gaben die Anleger an den Börsen direkt nach der Graph-Search-Vorstellung ab: Der Kurs der Facebook-Aktie sank, während sich Google stabil behaupten konnte.

Dieses Signal hat man bei Google sicher gern gesehen. Sich darauf ausruhen darf der Suchmonopolist jedoch nicht, im Gegenteil: Google muss weiter versuchen, seine und andere User von Google+ zu überzeugen. Was nur erfolgreich sein kann, solange niemand wirklich am Suchmonopol rüttelt.

Letztendlich werden die NutzerInnen entscheiden, ob sie mit Facebooks neuem Gesicht zufrieden sind, weiter der vertrauten Google-Suche den Vorzug geben – oder sich für das „nächste große Ding“ entscheiden, das irgendwann kommen und beide verdrängen wird.