Erfolg der Wasserproteste

WIRTSCHAFT EU-Binnenmarkt-Kommissar Barnier will Wasserversorgung doch nicht privatisieren

BERLIN taz | Überraschende Kehrtwende in Brüssel: EU-Kommissar Michel Barnier hat angekündigt, die Wasserversorgung „aus dem Anwendungsbereich der Konzessionsrichtline auszunehmen“. Das heißt, kommunale Unternehmen der Branche müssten sich nicht ihren Regeln unterwerfen. Mehr als eine Million Bürger aus sieben EU-Ländern hatten genau dies in den vergangenen Monaten gefordert, weil sie damit eine Privatisierung der Wasserversorgung in Europa befürchteten. Dieses Risiko habe nie bestanden, sagte Barnier, doch „wir müssen den Bedenken so vieler Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen“.

Seinen Sinneswandel verkündete der Binnenmarkt-Kommissar während einer Sitzung, auf der die Richtlinie zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten verhandelt wurde. Diese sogenannten Trilog-Verhandlungen liegen in den letzten Zügen, am kommenden Dienstag wird auf einer weiteren Sitzung weiter verhandelt.

„Offensichtlich hat Barnier verstanden, dass die Sorgen der Menschen um bezahlbare und qualitativ hochwertige Wasserversorgung nicht einfach vom Tisch zu wischen sind“, sagte Thomas Händel, der für die Linke im EU-Parlament sitzt und an den Trilog-Verhandlungen teilnimmt, „Wasser ist und bleibt ein Menschenrecht und darf nicht den Marktregeln unterworfen werden.“ Auch verschiedene Bürgerinitiativen und Gewerkschaften begrüßten die Entscheidung. „Das wäre ein weites Entgegenkommen“, sagt Christa Hecht von der Allianz der Öffentlichen Wasserwirtschaft in Berlin, „allerdings müssen wir jetzt aufpassen, dass eine Kommerzialisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung nicht an anderer Stelle erneut versucht wird.“ Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) hingegen bedauerte Barniers Vorstoß. Setze sich diese Position durch, werde Deutschland im Bereich Wasserversorgung vom europäischen Binnenmarkt abgeschottet, sagte ein Sprecher. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte Barniers Äußerung, verweist aber auf weitere „Baustellen“ in der Konzessionsrichtlinie. Unter anderem solle die Möglichkeit eingeschränkt werden, soziale Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen. HEIKE HOLDINGHAUSEN