Mit der Schere gegen israelische Kunst

ANTISEMITISMUS Eine muslimische Studentin zerschneidet an der Universität Duisburg-Essen eine Collage, die eine Friedensdemonstration zeigt. Daraufhin wird die Schau geschlossen und die Homepage gelöscht

„Wir wollten keine teilzensierte Ausstellung“

INSTITUTSDIREKTOR CHRISTOPH HEYL

KÖLN taz | An der Universität Duisburg-Essen tobt ein Karikaturenstreit. Weil sie zwei Poster in einer Ausstellung über Graphic Novels für anstößig hielt, hängte eine muslimische Studentin die Exponate ab. Und nicht nur das: Offenkundig aus antiisraelischen Motiven heraus zerstörte sie eines der beiden Plakate. Daraufhin wurde die Comicausstellung in der Universitätsbibliothek vorzeitig beendet.

Steine des Anstoßes sind zwei Plakate in der Ausstellung „What Comics can do! – Recent Trends in Graphic Fiction“, die seit dem 23. Mai im Foyer der Uni-Bibliothek auf dem Campus Essen gezeigt wurde. Mitte Juni beschwerte sich eine Gruppe streng religiöser muslimischer Studierender lautstark und aggressiv über eine Collage mit verschiedenen Szenen aus dem Orientcomic „Habibi“ des US-Künstlers Craig Thompsons. Dass neben einer gewalttätigen Sexszene das Wort „Allah“ montiert war, verletze ihre religiösen Gefühle. Während die Bibliotheksleitung noch überlegte, wie sie mit dem Protest umgehen will, hängte eine Studentin am 17. Juni auf eigene Faust die Collage ab.

Ihren noch größeren Unmut erregte eine Collage, die sich mit dem Buch „Exit Wounds“ der israelischen Zeichnerin und Illustratorin Rutu Modan befasst, das 2008 unter dem Titel „Blutspuren“ auch auf deutsch erschien. Am 24. Juni schnitt die junge Muslima mit einer Schere aus der mehrfach preisgekrönten Graphic Novel die von ihr als anstößig empfundenen Bildinhalte aus und übergab den Torso der Bibliotheksleitung. Ein Rechtsanwalt hat die Studentin nun verklagt. Es handele sich um einen „Angriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit“, schrieb er an die Staatsanwaltschaft. Der Fall wird geprüft.

Nach taz-Informationen ist auf der zerstörten Collage eine Friedensdemonstration in Israel zu sehen, bei der auf einem Transparent die Aufschrift „Schalom“ (Frieden) zu lesen ist. Das legt ein handfestes antiisraelisches, wenn nicht antisemitisches Motiv mehr als nahe.

Die Bilderstürmerei führte zu einem vorzeitigen Abbruch der Ausstellung, die eigentlich noch bis Ende Juli hatte laufen sollen. „Eine teilzensierte Ausstellung hätte als Eingeständnis einer Schuld gewertet werden können, was auf jeden Fall vermieden werden sollte“, begründete der geschäftsführende Direktor des Instituts für Anglophone Studien, Christoph Heyl, die Entscheidung. Warum auch die Homepage zur Ausstellung umgehend gelöscht wurde, erklärt sich damit jedoch nicht.

Die Hochschulleitung hat nun die Studentin zu einem Gespräch vorgeladen. Ihr Verhalten sei in keiner Weise zu rechtfertigen, sagte Rektor Ulrich Radtke. Als Reaktion soll jetzt ein wissenschaftliches Kolloquium zum Thema „Hochschule und Meinungsfreiheit“ organisiert werden. Die abgebrochene Ausstellung bleibt vorerst unter Verschluss. PASCAL BEUCKER