Personalstreit ums Bauhaus: Landesherrliches Gebaren

Der alte, geschätzte Direktor am Bauhaus in Dessau muss gehen. Mehr Tourismus soll her. Die Stiftung als Entwicklungsinstanz scheint weniger gefragt.

Philipp Oswalt bewirbt sich für eine weitere Amtszeit. Bild: dpa

Die Ära Oswalt am Bauhaus in Dessau ist wohl Geschichte. Zwar hat sich Philipp Oswalt noch einmal auf seine derzeitige Stelle als Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau beworben, aber es sieht nicht danach aus, als hätte er eine Chance auf weitere fünf Jahre. Schließlich hatte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) bereits bekundet, das Vertrauensverhältnis zum Bauhaus-Chef sei beschädigt.

Auf Initiative von Dorgerloh als Vorsitzenden hatte der Stiftungsrat die Personalie Oswalt auf dem kurzen Dienstweg erledigt; die Direktorenstelle wurde ohne Aussprache per schriftlichem Umlaufverfahren neu ausgeschrieben. Inzwischen gäbe es – so hört man inoffiziell – mehrere Bewerber.

Was Dorgerloh und andere Vertreter im Stiftungsrat aus Sachsen-Anhalt, der Stadt Dessau-Rosslau und der Bundesregierung Oswalt eigentlich konkret vorwerfen, wurde bislang öffentlich nicht kommuniziert. Oswalt selbst ist sich keiner Schuld bewusst. Auch deshalb habe er sich wieder beworben. „Es geht um die Auffassung vom Amtsverständnis des Bauhaus-Direktors“, sagte Oswalt am Donnertag bei einem gut besuchten Presselunch zum Abschied aus seiner Amtszeit.

Tatsächlich scheint der Kultusminister den Direktor am Bauhaus als Untergebenen seiner landesherrlichen Gewalt zu verstehen. Nachdem Dorgerloh Oswalt bis zum letzten Frühjahr nur gelobt hatte, gab es im Sommer plötzlich Meinungsverschiedenheiten. Es ging um die Frage nach dem Standort des neuen Bauhaus-Museums.

Dorgerloh will sich dies mindestens 25 Millionen teuere Projekt und das daraus erhoffte Prestige offenbar auf die eigene Fahne schreiben. Entgegen dem Votum von Oswalt setzte er durch, dass der Bau im Dessauer Stadtpark errichtet wird. Das Museum soll bis zum großen hundertjährigem Bauhaus-Jubiläum 2019 fertig sein. Oswalt hingegen hätte das Haus lieber nah dem historischen Bauhaus-Gebäude von Walter Gropius und der dazugehörigen Meisterhaussiedlung gesehen.

Beirat zurückgetreten

Auch bei dieser Standortfrage sparte es sich der Minister, inhaltliche Gründe für seine Entscheidung anzugeben. Es ist genau dieses landesherrliche Gebaren, das Oswalt bei seiner Bilanz vor der Presse an seinem vorletzten Arbeitstag kritisierte.

Offenbar steht hinter dem verkappten Rauswurf von Oswalt überhaupt eine andere Auffassung von der Rolle der Stiftung Bauhaus. Laut Satzung soll sie das Erbe des von 1925 bis 1932 in der damaligen Hauptstadt des Freistaats Anhalt beheimateten Bauhauses bewahren und vermitteln. Das hat Oswalt getan – und zwar mit gutem Erfolg, wie alle Experten, wie die Presse und wie der wissenschaftliche Beirat der Stiftung dem Direktor bescheinigen. Aus Protest gegen die Nichtverlängerung von Oswalts Direktion trat der Beirat sogar geschlossen zurück.

Denn die Bilanz, die Oswalt vortrug, kann sich sehen lassen: Oswalt hat das Bauhaus zum Brummen gebracht: Seit 2009 gab es allein 20 Ausstellungen im Haus, 12 fanden auswärts statt, über 15.000 Führungen in sieben Sprachen und insgesamt 400.000 Besucher zählte das Bauhaus. Darüber hinaus erschienen Bücher, ein Magazin, eine DVD-Reihe. Und auch die erst 1976 begonnene und heute weltweit zweitgrößte Sammlung zum Bauhaus wurde in den letzten fünf Jahren allein um 12.000 Objekte kräftig vermehrt. Die Bauhausstätten in Dessau und Weimar zählen heute laut Umfrage der Deutschen Zentrale für Tourismus zu den Top-100-Sehenswürdigkeiten der Bundesrepublik.

Doch gerade in Sachen Tourismus könnte es in den Augen von Land und Stadt noch viel mehr sein. Obwohl das Bauhaus touristische Angebote von Sightseeing-Touren quer durch Dessau bis hin zu Übernachtungsangeboten im ehemaligen Studentenwohnblock des Bauhauses entwickelte.

Kein Monopol

Schließlich wird auch die im Mai eröffnende Rekonstruktion des Wohnhauses von Gropius in der Meisterhaussiedlung die Attraktivität der Stadt für Touristen noch erhöhen. Die Rekonstruktion des Gropius-Hauses orientiert sich an einem überlieferten Gipsmodell und ein Kompromiss zwischen dem eher rekonstruktionskritischen Bauhaus-Direktor und den tourismusversessenen Stadtoberen.

Doch mit solchen produktiven Kompromissen scheint man sich vonseiten des Landes in Zukunft nicht mehr zufrieden geben zu wollen. Insbesondere die Einstellung der Förderung des Bauhaus-Kollegs mit seinen Lehrprogrammen für wissenschaftlichen Nachwuchs und Graduierte im Jahr 2012 ist auch Indiz dafür, dass das zweite Standbein der Stiftung Bauhaus in Bildung und Forschung von der sächsisch-anhaltischen Kulturpolitik als vernachlässigbar angesehen wird.

Dabei stellte das Bauhaus unter Oswalt gerade hier die zentralen Fragen für die regionale Entwicklung: Wie reagieren auf das Schwinden der Industrie und den permanenten Verlust von Einwohnern im Land? Was tun, damit man in der Region auch 2050 noch die nötigen Strukturen hat – und das möglichst klimaschonend und energieeffizient?

Das Bauhaus entwickelte hierzu theoretische Überlegungen als auch praktische Gestaltungslösungen, um den ureigensten Bauhaus-Gedanken für die Gegenwart zu aktivieren: Wie können wir besser leben? Doch das Land überließ die Realisierung des in der Satzung der Stiftung Bauhaus festgeschriebenen Bildungs- und Forschungsauftrags lieber weitgehend Drittmittelgebern.

Der Umgang mit dem Bauhaus zeigt, und da ist der Fall Oswalt lediglich Symptom, dass man in der Landespolitik weder die Bedeutung des historischen Bauhauses begriffen, noch die Chance zur Revitalisierung des Bauhaus-Gedankens erfasst hat.

Während der Interimszeit bis zur Ernennung eines neuen Direktors fungiert übrigens schon mal Matthias Puhla, der Abteilungsleiter im Kultusministerium von Sachsen-Anhalt, als Vorstand der Stiftung Bauhaus. Oswalt wird dem Bauhaus-Gedanken in seiner alten Funktion als Professor in Kassel weiter nachgehen. „Es gibt kein Monopol im Umgang mit dem Bauhaus“, sagte er zum Abschied.

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