Handelsabkommen zwischen EU und USA: Gabriel greift TTIP-Kritiker an

SPD-Chef und Wirtschaftsminister Gabriel fordert mehr Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen. Ihren Abbruch fände er aber „nicht besonders klug“.

Die drei vom TTIP-Schalter: SPD-Bundeswirtschaftsminister Gabriel (M.), der US-Handelsbeauftragte Michael Froman (l.) und EU-Handelskommissar Karel De Gucht Bild: dpa

BERLIN taz | Wie sehr das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, das auf die sperrige Abkürzung TTIP hört, die Menschen bewegt, dürfte den Sozialdemokraten inzwischen klar sein. Bei den ersten Wahlveranstaltungen ihres Spitzenkandidaten Martin Schulz für die EU-Wahlen am 25. Mai gab es unübersehbare Proteste gegen die Freihandelspläne.

Die SPD steht dem Projekt insgesamt offen gegenüber. Aber mehr als 460.000 Menschen haben bereits einen Appell des Netzwerks Campact gegen das Abkommen unterschrieben. Und am Vorabend der Wahl wollen 24.000 Aktivisten rund 6,5 Millionen Infozettel an Haustüren hängen. Neben vielen Umwelt- und Verbraucherorganisationen fordert mit der IG Metall inzwischen auch eine große Gewerkschaft den Stopp der Verhandlungen.

Höchste Zeit also für eine offensive Reaktion. Am Montag empfing SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Berlin die Verhandlungsführer von USA und EU, Michael Froman und Karel De Gucht, zu einer Diskussion nach Berlin. Dabei klang die Botschaft des Gastgebers durchaus widersprüchlich: Zum einen äußerte Gabriel Verständnis für „viele Sorgen, die es ernst zu nehmen gilt“ – und machte sich einige der Kritikpunkte zu eigen.

Der SPD-Politiker räumte ein, dass „geheime Verhandlungen“ wenig hilfreich seien, um Vertrauen zu schaffen. Zudem müsse sichergestellt sein, dass die nationalen Parlamente am Ende über das Abkommen abstimmen dürfen; sonst werde der „Widerstand exponentiell steigen“. Dass Investoren gegen Staaten klagen können, wenn sie ihre Rechte durch neue Gesetze verletzt sehen, hält Gabriel für „unnötig“. Die Rechtsordnungen in EU und USA böten ausreichenden Schutz für Investitionen.

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA heißt mit vollem Namen „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“. Ausgesprochen wird das Vertragswerk auf Englisch TTIP (tieh-tipp).

Sein Zweck: Zölle und Handelshemmnisse abzubauen. Damit soll der Handel zwischen der EU und den Vereinigten Staaten weiter wachsen. Die EU verspricht sich einen Anstieg des Bruttoinlandprodukts um 0,5 bis 1 Prozent und mehr Jobs.

Verhandelt wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Allerdings sind inzwischen bereits mehrere interne Positionspapiere der EU durchgesickert und im Internet veröffentlicht worden. Zentrale Punkte: Produkt-, Umwelt- und Sicherheitsstandards in den USA und Europa sollen angeglichen werden. Zudem wird der Zugang zu öffentlichen Märkten (Verkehr, Wasser, Energie) liberalisiert.

Die Verhandlungen zum Investitionsschutz hat die EU-Kommission bis nach den Europawahlen ausgesetzt und eine öffentliche Umfrage zu dem Thema begonnen. Beim Thema Investitionsschutz geht es darum, dass Konzerne Staaten auf Schadenersatz verklagen können, wenn ihre Gewinnpläne durch politischen Entscheidungen durchkreuzt werden. Wenn ein Staat etwa ein Moratorium für Fracking beschließt, könnten Unternehmen ihn für ausbleibende Einkünfte verklagen.

Zugleich griff der SPD-Chef die TTIP-Kritiker scharf an: Es gebe „eine Menge Vermutungen über das, was verhandelt wird“, sagte er, „aber wenig Wissen.“ Auf den Campact-Aufruf reagierte er mit Spott. „470.000 Menschen haben gegen etwas unterschrieben, was es noch gar nicht gibt“. Man könne „den Eindruck kriegen, als ginge es um Leben und Sterben.“

Forman: Es geht um „klügere Regulierung“

Auch EU-Handelskommissar De Gucht und der US-Handelsbeauftragte Forman wiesen die Kritik an TTIP zurück. Es gehe nicht um „weniger Regulierung“, sondern um „klügere“, sagte Forman. Der Liberale De Gucht, der sich in Anspielung auf die 470.000 Campact-Unterschriften zum „Sprecher von 500 Millionen Europäern“ ernannte, versprach „mehr Jobs und niedrigere Preise“ durch das Abkommen und wies Auswirkungen auf Schutzrechte etwa bei Lebensmitteln zurück. Hormonfleisch aus den USA werde es durch TTIP nicht geben, sagte er. „Hört endlich auf, Lügen zu verbreiten!“

Mehr Transparenz und einen Verzicht auf Investorenschutzrechte lehnte Forman aber klar ab. Die USA würden selbst entscheiden, mit wem sie ihre Verhandlungsposition teilen, sagte er. Ein Investitionsschutzabkommen sei als „Vorbild“ für andere Handelsabkommen erforderlich. De Gucht verwies darauf, dass die Gespräche über dieses Thema derzeit ausgesetzt sind, ließ aber erkennen, dass er ein entsprechendes Abkommen für wünschenswert hält.

Die Opposition reagierte kritisch auf Gabriels Äußerungen. Die Veranstaltung in Berlin solle den Verhandlungen „einen transparenten Anstrich verleihen“, sagte Klaus Ernst, Vizefraktionsvorsitzender der Linkspartei im Bundestag. Das sei „irreführend“, denn: „Nach wie vor bleiben Verhandlungsmandat und Verhandlungsdokumente geheim.“

Stopp der Verhandlungen gefordert

Der Grünen-Europaabgeordete Sven Giegold warf der SPD „doppelzüngige“ Politik vor. Schließlich hätten die Sozialdemokraten das Verhandlungsmandat zunächst mit großer Mehrheit gutgeheißen und im Europaparlament gerade mehrheitlich gegen mehr Transparenz gestimmt. Die Grünen hatten bei ihrem Europaparteitag im Februar einen Grundsatzbeschluss zu TTIP gefällt. Sie fordern seither eine „Aussetzung der Verhandlungen und einen kompletten Neustart“. Die Linke will die Verhandlungen komplett stoppen.

Das wies Gabriel am Montag als „keine besonders kluge Position“ entschieden zurück. Aus seiner Sicht gibt es nur mit TTIP die Chance, sich überhaupt auf „gemeinsame Spielregeln im Welthandel“ zu einigen. Da dürfte bis zur Europawahl noch einige Überzeugungsarbeit nötig sein.

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