Dschihadist gesteht

PROZESS 20-jähriger Deutscher gibt zu, für „Islamischen Staat“ in Syrien gekämpft zu haben. Dann wollte er heim

■ Attacke: Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliert nach Angaben einer syrischen Beobachtergruppe mittlerweile mindestens 40 Prozent der kurdischen Stadt an der Grenze zur Türkei, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag mit. Die IS habe auch jenen Stadtteil fast vollständig erobert, in dem die Regionalverwaltung ihren Hauptsitz hat.

■ Gegenattacke: Das internationale Militärbündnis unter Führung der USA habe in der Nacht Stellungen der IS-Kämpfer östlich und südlich von Kobani beschossen.

AUS FRANKFURT AM MAIN SABINE AM ORDE

Am dritten Prozesstag hat sich Kreshnik B. doch für die Aussage entschieden – und damit für einen Deal mit der Bundesanwaltschaft und dem Gericht, der ihm eine deutliche Strafmilderung bringen kann. Selbst sprechen wollte der 20-jährige Deutsche, dessen Eltern aus dem Kosovo stammen, am Freitagvormittag in Saal II des Frankfurter Oberlandesgericht noch nicht. Aber er ließ seinen Anwalt eine Erklärung verlesen. Darin gab er zu, nach Syrien gereist zu sein, dort den Treueschwur auf die Terrormiliz „Islamischer Staat“ geleistet und für diese an Kampfeinsätzen teilgenommen zu haben. „Ich war wütend und fassungslos darüber, was in Syrien passiert und dass keiner den Menschen dort hilft“, liest Anwalt Mutlu Günal vor. Langsam sei der Entschluss gereift, selbst einzugreifen. „In meinem Freundeskreis waren wir uns einig, dass man etwas tun muss.“

Kreshnik B. steht seit Mitte September vor Gericht, es ist der erste Prozess gegen einen IS-Dschihadisten in Deutschland. Die Anklage: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Weil B. eine Waffenausbildung durchlaufen und sich eine Schusswaffe besorgt haben soll, wirft der Bundesanwalt ihm auch vor, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben.

Über die Türkei sei er nach Syrien gereist und dort in einem Stützpunkt des „Islamischen Staat im Irak und Großsyrien“ (Isig) gelandet, der sich heute kurz „Islamischer Staat“ (IS) nennt, heißt es in B.s Erklärung. „Ich habe mich dem Willen von Isig unterworfen, mich seiner Gewalt unterstellt“, liest Günal weiter.

In einer Art Crashkurs sei er an Pistolen und Sturmgewehren ausgebildet worden. Bei der ersten Operation aber, an der „tausend Kämpfer“ teilgenommen hätten, mussten er und die anderen Europäer ganz hinten stehen. „Die Tschetschenen und Araber haben uns nicht viel zugetraut.“ Diese seien nicht davon aus gegangen, „dass wir ihnen viel helfen können“. Bei zwei weiteren Einsätzen sei es ähnlich gewesen.

In Telefonaten mit seiner Schwester habe er das Ganze etwas „heldenhafter“ darstellen wollen und seinen Beitrag zum Kampf „geschönt“. Die Gespräche wurden abgehört, die Mitschnitte sind wichtige Beweismittel der Bundesanwaltschaft.

Als Auseinandersetzungen zwischen Isig und anderen aufständischen Gruppen begonnen hätten, seien ihm „Zweifel“ gekommen. „Isig wollte alle zwingen, sich unterzuordnen.“ Er habe nicht gegen andere Muslime kämpfen wollen, die sich gegen das Assad-Regime stellen. „Ich wollte nach Hause, ich wollte weg. Aber ich wollte kein Verräter sein.“ Schließlich sei er mit Hilfe seines Onkels, der bei der Freien Syrischen Armee (FSA) gekämpft habe, in die Türkei gefahren und von dort mit seiner Schwester nach Frankfurt. Am 12. Dezember 2013 wurde er dort am Flughafen festgenommen, ein halbes Jahr nach seiner Ausreise.

Mit seiner Einlassung hat Kreshnik B. die erste Bedingung für einen Deal erfüllt. Am 30. Oktober muss er sich nun den Fragen der Richter und der Bundesanwälte stellen. Als Gegenleistung wollen sie die Anklage wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat fallen lassen, es bliebe die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und eine Jugendstrafe von maximal vier Jahren und drei Monaten.