„Das grenzt an Wucher“

KRITIK Hans-Christian Ströbele über unverschämte Vermieter, explodierende Mieten und die Defizite der Mietpreisbremse

■ 75, einziger direkt gewählter Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, forderte am 22. Februar 2011 als erster Politiker eine Mietpreisbremse.

taz: Herr Ströbele, Sie gelten als Erfinder der Mietpreisbremse. Sind Sie mit dem Gesetzentwurf von SPD-Justizminister Heiko Maas zufrieden?

Hans-Christian Ströbele: Nein. Zwar freue ich mich, dass die Regierung überhaupt etwas gegen die Mietexplosion in Großstädten tut – denn ich war skeptisch, ob den großartigen Wahlversprechen auch Taten folgen. Trotzdem hat der vorgelegte Entwurf viele Defizite. Vor allen stört mich die Befristung der Mietpreisbremse auf zunächst fünf Jahre. Danach müssen Mieter wieder extreme Mieterhöhungen fürchten – und im schlimmsten Fall aus ihren Wohnungen raus.

Wie wichtig ist die Mietpreisbremse denn für Großstadtviertel wie Ihren Wahlkreis im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg?

Die explodierenden Mieten sind hier eines der größten Probleme, die belasten die Leute quer durch alle sozialen Schichten. Ein Beispiel: Unter dem Vorwand der ökologischen Sanierung sollten Mieter in der Winsstraße in Prenzlauer Berg plötzlich nicht 10, sondern 80 bis 100 Prozent mehr zahlen – dabei sollten selbst die bereits vorhandenen Außentoiletten außerhalb der Wohnungen bleiben. Das grenzt an Wucher.

Möglich wird das, weil auch künftig jährlich 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen. Aber müssten Sie als Grüner nicht zumindest ökologische Sanierungen gut finden?

Natürlich bin ich dafür, wenn Häuser besser gedämmt werden. Trotzdem ist der Vorwurf falsch, wir Grüne würden den sozialen Gedanken vernachlässigen. Ich fordere seit Jahren, dass Mieterhöhungen den Einsparungen bei den Energiekosten entsprechen. Unterm Strich sollen Mieter auch nach einer ökologischen Sanierung nicht mehr zahlen. Wir wollen nicht, dass Leute, die seit 20 oder 30 Jahren in ihrem Kiez leben, vertrieben werden.

Mehr als 10 Prozent über dem Mietspiegel dürfen Vermieter künftig nicht verlangen. Aber: Bildet dieser Spiegel nicht nur die irren Erhöhungen der vergangenen Jahre ab?

Völlig richtig. Der Mietspiegel betrachtet nur die letzten fünf Jahre – und eben nicht den Durchschnitt aller Mieten in einem Kiez in den Jahren davor. Das ist ein Fehler, der dringend korrigiert werden muss. Mieten müssen für alle bezahlbar bleiben. Wenn nur noch Gutverdiener in einem Viertel leben, wird die Gegend unattraktiv. Eine ganz neue Bevölkerungsstruktur wie im Prenzlauer Berg wollen wir nicht. INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA