Angola wächst zu einer Regionalmacht

Das zweitgrößte Ölförderland Afrikas südlich der Sahara und die wichtigste Militärmacht der Region gebärdet sich zunehmend gebieterisch gegenüber dem großen chaotischen Nachbarn Kongo und strebt jetzt mit chinesischer Hilfe nach der Atomkraft

Angola ist in Afrika einer der größten Öllieferanten Chinas und der USA

VON FRANÇOIS MISSER

Pünktlich zum Jahrestag der ersten Runde der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo ist Präsident Joseph Kabila gestern zum Staatsbesuch im Nachbarland Angola eingetroffen – sein engster regionaler Verbündeter und eine aufstrebende Macht im südlichen Afrika. Dass Kongos Minister für Infrastruktur, Verkehr, Bergbau und Öl Kabila begleiten, deutet an, worum es geht: Die Ölmacht Angola soll dem darniederliegenden Bürgerkriegsland Kongo wieder auf die Beine helfen.

Kabila verdankt ebenso wie Denis Sassou-Nguesso, Präsident des Nachbarlandes Kongo-Brazzaville, seine Macht der direkten militärischen Unterstützung Angolas. In beiden Ländern trainiert Angola Polizei und Militär, und im März sollen angolanische Soldaten Kabilas Präsidialgarde geholfen haben, die blutige Revolte der Garde des Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba in Kinshasa niederzuschlagen.

Mehrere Großprojekte der kongolesisch-angolanischen Wirtschaftskooperation sind derzeit in Planung. Es geht unter anderem um eine 13 Kilometer lange Brücke über die Mündung des Kongo-Flusses, um die angolanische Exklave Cabinda direkt mit Angola zu verbinden, ohne kongolesisches Territorium zu betreten – Cabinda ist vom Rest Angolas durch die Kongo-Mündung geteilt, die zur Demokratischen Republik Kongo gehört. Dieses Bauprojekt mit einem Auftragswert von zwei Milliarden Dollar soll die China Road and Bridge Corporation realisieren. Weiter will Angola eine Gaspipeline zwischen der Ölstadt Soyo im Norden Angolas und Cabinda bauen. Kongo und Angola planen auch die gemeinsame Nutzung der Ölvorkommen an ihrer Seegrenze: Kongo fördert Öl in dem schmalen Stück Atlantik zwischen Angola und Cabinda, das ihm gehört.

Der Inga-Staudamm am Unterlauf des Kongos, den Kongos Regierung zum größten Afrikas ausbauen will, wird nach seiner Modernisierung auch Teile Angolas mit Strom versorgen, während Strom aus Angola in die zentralkongolesischen Diamantengebiete fließen soll. Kabila will bei seiner Reise auch die südangolanische Hafenstadt Benguela besuchen, über die künftig Mineralien aus der kongolesischen Bergbauprovinz Katanga verschifft werden sollen.

Diese enge Zusammenarbeit hat einen Preis. In der westkongolesischen Provinz Bandundu hält Angola seit Januar elf Dörfer um die Region Kahemba besetzt, und Kongo traut sich nicht, das zu kritisieren. Eine parlamentarische Untersuchungskommission darüber erfuhr vor Ort große Schwierigkeiten, und ihr Bericht wurde erst am 18. Juli im Parlament in Kinshasa debattiert – gegen den Willen der Regierung, deren Minister behaupten, es habe keinen angolanischen Einmarsch gegeben, obwohl sogar die in die Region entsandten Parlamentarier das feststellten.

Wie wenig Kongo mit 60 Millionen Einwohnern gegen seinen reichen Nachbarn Angola mit 10 Millionen Einwohnern ausrichten kann, zeigen auch die wiederholten Massenabschiebungen illegaler kongolesischer Diamantensucher aus Angola – 120.000 im Jahr 2004, 40.000 im März dieses Jahres, in diesem Monat erneut rund 30.000. Viele wurden dabei von angolanischen Sicherheitskräften ausgeplündert und landeten völlig mittellos in der alten Heimat.

Angola braucht Kritik nicht zu kümmern. Erst vor fünf Jahren ging Angolas Bürgerkrieg zu Ende, einer der längsten und blutigsten Bürgerkriege des Kontinents. Heute ist Angola das zweitgrößte Ölförderland Afrikas südlich der Sahara und einer der größten Öllieferanten Chinas und der USA in Afrika. In den USA hat der einflussreiche Council of Foreign Relations kürzlich dringend einen Ausbau der US-angolanischen Beziehungen empfohlen.

Inzwischen plant Angola sogar die friedliche Nutzung der Atomenergie. Das Parlament verabschiedete kürzlich die Berichte dreier Kommissionen über einen Gesetzesentwurf zu einem Atomenergiegesetz. Wissenschaftsminister João Baptista Ngangajina sagte, China werde ein oder zwei Atomkraftwerke in Angola bauen und Techniker ausbilden. Dafür sollen chinesische Firmen Zugang zu angolanischen Uranminen bekommen, sagt Antinoi Costa e Silva, Energiespezialist der Technischen Universität von Lissabon. Angolas wichtigste Uranvorkommen liegen in Cabinda, das außerdem große Öl- und Phosphatvorkommen birgt und wo Angolas Militär bis vor kurzem gegen Separatisten kämpfte.

Wieso Angola, jüngstes Opec-Mitglied und wegen des raschen Anstiegs seiner Ölexporte das Land mit dem höchsten Wirtschaftswachstum Afrikas, jetzt das Abenteuer Atomkraft wagen will, ist unklar. Nach Meinung des angolanischen Politologen Eugenio Costa Almeida geht es nicht nur um Ökonomie: Angola wolle seinen Status als Regionalmacht konsolidieren. Mit Atomkraft könnte Angola den großen Rivalen Südafrika einholen, bisher das einzige Land Afrikas mit Atomkraftwerken.