Australiens Regierung entscheidet: Aborigines werden nicht entschädigt

Die neu gewählte Regierung lehnt die Einrichtung eines Fonds für Kinder von Ureinwohnern ab, die ihren Familien weggenommen wurden.

Wurde im November zu Australiens neuem Premier gewählt: Kevin Rudd Bild: rtr

CANBERRA taz Australiens im November gewählte sozialdemokratische Regierung will keinen Fonds für jene Aborigines einrichten, die zwangsmäßig von ihren Eltern getrennt wurden. Das bestätigte gestern die Ministerin für Familie und indigene Angelegenheiten Jenny Macklin. Laut Macklin werde Canberra aber vermehrt Geld in die Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Ureinwohner investieren. Außerdem sollen Mittel in Ausbildung und andere öffentlich Dienste gesteckt werden.

Macklin reagierte auf eine viele Jahre alte Forderung einer Reihe prominenter Ureinwohner. Diese waren mit dem Antrag auf Einrichtung eines Schadenersatzfonds im Umfang von mehreren hundert Millionen Dollar schon bei der konservativen Vorgängerregierung von Premier John Howard abgeblitzt. Howard hatte jedoch auch eine Entschuldigung bei den Aborigines für die Praxis der Zwangsentfernung von Kindern abgelehnt - eine symbolische Geste, die Premier Kevin Rudd nun nachholen will. Wie Michael Mansell vom tasmanischen Aboriginal-Zentrum am Montag meinte, sei eine Entschuldigung bei den Mitgliedern der sogenannten "Gestohlenen Generation" ohne Entschädigung "unglaubwürdig".

Als "Gestohlene Generation" werden jene Aboriginalkinder bezeichnet, die etwa zwischen 1900 und 1972 von Wohlfahrtsorganisationen der australischen Regierung und der Kirchen ihren Eltern weggenommen wurden. Die offizielle Begründung für das Vorgehen war, dass es besser für die Kinder sei, von weißen Familien oder Kirchen erzogen zu werden, als bei den Eltern in der "Wildnis" in vermeintlicher "Armut" zu leben.

Obwohl Kinder in einigen Fällen freiwillig abgegeben wurden, weil die Eltern sich nicht in der Lage sahen, für sie zu sorgen, wurden tausende zwangsweise und oft unter Anwendung von Gewalt ihren Familien entzogen. Die Frage, ob dies zum Wohle der Kinder geschah oder die Praxis ein rassistisch motivierter Verstoß gegen Menschenrechte war, wird in Australien nach wie vor diskutiert. Laut den Betroffenen richtete die Zwangswegnahme gewaltige kulturelle Schäden an, zerriss zahllose Familien und hinterließ eine Generation traumatisierter Menschen.

Nach einer Schätzung der früheren Regierung wurden etwa 35.000 Kinder ihren Familien weggenommen. Diese Zahl wird mangels Dokumentation von verschiedener Seite angezweifelt und könnte um ein Mehrfaches höher liegen. Einzelne Experten glauben, dass zwischen 10 und 30 Prozent aller Aboriginalkinder in den siebziger Jahren betroffen waren - vor allem aus gemischten Ehen. Obwohl man damals glaubte, dass Aborigines als ethnische Gruppe ohnehin aussterben würden, wollte man mit diesem Programm sicherstellen, dass die Kinder später Weiße heirateten. Auf diese Weise sollte der Prozess beschleunigt werden.

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