Kolumne Nebensachen aus Accra: Hexenbaum in Ofankor

Über einen afrikanischen Hexenbaum, einen "onyina", der der Kettensäge vergeblich trotzte.

Vor kurzem stand er noch da, ein stolzer Urwaldriese, in Ofankor, am Rande der Straße, die von der ghanaischen Hauptstadt Accra nach Norden führt. Er war der letzte Zeuge, dass vor wenigen Jahrzehnten hier alles noch mit Regenwald bedeckt war. Eine tiefe Kerbe im Stamm zeigte an, dass man auch ihm bereits zu Leibe rücken wollte. Doch vergebens. Die chinesischen Straßenbauingenieure mussten sich geschlagen geben. Eine Kettensäge nach der anderen verweigerte den Dienst. Auch dem Ansturm von Bulldozern, die den Riesen zu entwurzeln trachteten, hielt er stand "Es ist ein onyina, ein Hexenbaum", raunten sich die Leute zu, der Gott Olila wohne in ihm und widersetze sich dem Fällen.

Eine lokale Jugendgruppe, die sich den Geistern verbunden fühlte, schickte sich an, den beseelten Baum gegen weitere Tötungsversuche zu verteidigen. Es handle sich um keinen Hexenbaum, sondern um einen heiligen Schrein. Ein Hexenjäger aus dem Niger, der sein Glück mit der Säge versuchte, wurde von den Jugendlichen geprügelt und unter der Anklage "Sakrileg, Sakrileg" in den Häuptlingspalast geschleppt.

Nun ist der Geisterglaube in Afrika tief verwurzelt, doch alles hat seinen Preis. So traten die Häuptlinge auf den Plan und verlangten von der staatlichen Straßenbaugesellschaft umgerechnet 10.000 US-Dollar plus Opfergaben, damit sie den Baum freigäben. Dazu, so hieß es in einem Brief des Ältestenrats, sollten drei Kühe, drei Schafe, sechs Hühner, zwölf Kisten Eier, eine Gallone Palmöl sowie je eine Kiste Gin, Schnaps und Whisky nebst weiteren Naturalien und Trommeln bereitgestellt werden. In einer Opferzeremonie müssten die Geister ausgetrieben werden. Die Behörden konnten den Preis unter dem Zeitdruck der Straßenerweiterung nur geringfügig drücken und lieferten 9.000 Dollar, Vieh und die anderen verlangten Güter.

Trotzdem blieb der Baum wochenlang unbehelligt. Zuletzt erschien ein heiliger Mann, der Abhilfe wusste. Er nennt sich Apostel Opoku Williams und ist Begründer der Israel-Pfingstkirche in Abehenase, einem Vorort von Accra. Er hatte eine andere Erklärung für die Standfestigkeit des Silkcotton-Baums: "Mit bloßem Auge scheint er als Baum, in Wahrheit ist er aber eine Zementsäule." Deswegen hätten die Kettensägen versagt. Es sei eine Zitadelle von Geistern aus mehreren Teilen der Welt, die dort ein Theater und selbst ein Spital eingerichtet hätten.

Der Apostel erklärte, er hätte von einem alten Mann einen Schlüssel zum Baum bekommen: einen handgefertigten Metallschlüssel, aus dessen Griff man einen Totenkopf lösen kann. Diesen Schlüssel steckte er in die Rinde, um den Geistern den Austritt zu ermöglichen. Tagelang will er sich mit Gebeten und geistiger Stärkung auf die Tat vorbereitet haben. Dabei sei ihm die göttliche Weisung erteilt worden, sein Unterfangen fortzusetzen.

Vor Tagesanbruch ließ er den Schauplatz von einem Polizeikordon abriegeln. Für die Tat selbst bediente er sich eines professionellen Holzfällers. Der konnte zwar sein Werk vollenden, doch will er, bevor der Baum fiel, gesehen haben, wie eine Flamme aus dem verwundeten Stamm schoss.

Sein Werk hat der Apostel für das Gemeinwohl und den Fortschritt vollbracht. Von den Opfergaben wollte er keinen Anteil. Dennoch haben die erfolglosen Häuptlinge bis dato nicht angeboten, Geld oder Schnaps zurückzugeben.

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