Jahrestag des Massakers von Srebenica: Die letzte Gewissheit

Mehr als 8.000 Menschen wurden am 11. Juli 1995 in Srebenica ermordet. Noch immer sind erst 3.124 Opfer identifiziert. Wie ist es, wenn man immer noch wartet?

Sie können endlich ordentlich beerdigt werden: Identifizierte Opfer des Massakers Bild: ap

40.000 Menschen sind am Freitag durch die Stadt Srebrenica gezogen, um am 13. Jahrestag des Massakers vom 11. Juli 1995 weiteren 308 identifizierten Opfern das letzte Geleit zu geben. Von den insgesamt mehr als 8.000 Menschen, die damals umgebracht wurden, sind damit nun 3.124 auf dem Friedhof in dem nahe Srebrenica gelegenen Ort Potocari bestattet worden.

Für Hatidza Mehmedovic bleibt aber noch eine qualvolle Zeit des Wartens. An jenem Sommertag, als serbische Truppen in die damalige von der UN geschützte Enklave eindrangen, wurden ihre Söhne und ihr Mann von ihr getrennt. Seither forscht sie nach, was mit ihren Lieben geschehen ist. Kürzlich erhielt sie die Nachricht, einer ihrer halbwüchsigen Söhne sei unter den Leichen identifiziert worden. Der zweite Sohn jedoch nicht. Und selbst die Spezialisten in Tuzla, die mit ihren DNA-Analysen schon Wunder vollbracht haben, können nicht feststellen, ob die Überreste, die in einem der zahlreichen Massengräber gefunden wurden, dem älteren oder dem jüngeren Sohn zuzuordnen sind. Bevor auch der andere Sohn gefunden wird, kann Hatidza Mehmedovic ihre Lieben nicht beerdigen.

Unendlich viele Tragödien sind mit dem Massaker von Srebrenica verbunden. Und noch wartet die Mehrheit der Überlebenden auf Nachrichten über den Verbleib ihrer Angehörigen. Für sie ist es oftmals schwer, den Reden am Jahrestag zuzuhören, vor allem den Aufrufen, endlich die Verantwortlichen des Massenmordes zu verhaften, den nach wie vor flüchtigen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und seinen General, Ratko Mladic. Gerade die Opfer können nicht mehr glauben, dass sich die Gesuchten ernsthaften Nachforschungen der Geheimdienste entziehen könnten. Sie vermuten, dass die internationale Gemeinschaft lügt.

Die internationalen Diplomaten setzen jetzt offenbar auf die neue serbische Regierung. Der Nachfolger von Carla del Ponte als Chefankläger des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, der Belgier Serge Brammertz, sagte: "Ich möchte die offenen Fälle gemeinsam mit den serbischen Justizbehörden und mit Unterstützung der Politik lösen." Die Serben also sollen Mladic und Karadzic selbst verhaften. Der neue Innenminister ist allerdings der Chef der Sozialistischen Partei Serbiens, die letztlich die Verbrechen der 90er-Jahre zu verantworten hat.

Immerhin gibt es einige positive Zeichen. So wurde der 11. Juli mit den serbischen Stimmen im Ministerrat zu einem Gedenktag in Bosnien und Herzegowina bestimmt. Und Srebrenica hat innerhalb der serbischen Teilrepublik sogar eine Art Sonderstatus erhalten: Zumindest bei den Gemeindewahlen, die im Herbst anstehen, dürfen in Srebrenica im Gegensatz zu anderen Landesteilen die Vertriebenen nach wie vor mitstimmen.

Die Wahl dürfte spannend werden. Denn der bisherige beliebte Bürgermeister aus den Reihen der muslimischen Nationalpartei SDA will einen Kandidaten der multiethnischen Sozialdemokraten (SDP) unterstützen, was die bosniakischen Stimmen splitten würde. So könnte der Kandidat der serbischen Volksgruppe der lachende Dritte sein. Sollte er gewinnen, dann würde die Gemeinde zum ersten Mal nach dem Krieg von einem gewählten serbischen Bürgermeister regiert.

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