Nach dem Beben: Neue Hauptstadt für Haiti

Der Politiker Daniel Henrys will, dass Port-au-Prince an einem anderen Ort wieder aufgebaut wird. Die bisherige Lage sei zu gefährdet, die Siedlungen der Armen auf Morastboden errichtet.

Downtown Port-au-Prince: Der Slum von Bel Aire. Bild: reuters

Der ehemalige Gesundheitsminister Haitis, Daniel Henrys, hat die Verlegung von Port-au-Prince gefordert. Die haitianische Hauptstadt müsse an einem anderen Standort wiederaufgebaut werden. Das neue politische, soziale und kulturelle Zentrum des Landes könne nordöstlich des zum Großteil vom Erdbeben zerstörten Port-au-Prince liegen, sagte Henrys in einem Gespräch mit der taz. Dort sei der Boden wesentlich sicherer als in jenem Teil der Dreimillionenstadt, der nach dem Beben vom 12. Januar völlig zerstört wurde.

Im heutigen Zentrum um den Nationalpalast sind fast alle Ministerien und öffentlichen Gebäude eingestürzt. Auch der Präsidentenpalast wurde schwer beschädigt und muss vermutlich abgerissen werden. Es sei zwar wünschenswert, dass die einstige Hauptstadt der "Perle der Karibik" wieder ihre alte Schönheit erhalte. Die Situation nach dem Beben sei jedoch so dramatisch, dass solche Überlegungen illusorisch seien. Der ursprüngliche Baubestand sei fast völlig zerstört, erhalten gebliebene Bauten zum Großteil einsturzgefährdet.

Die Regierung von Präsident René Préval dürfe jetzt nicht zögern und müsse Konsequenzen aus der Zerstörung ziehen. "Port-au-Prince und einige Vorort sind nach wie vor extrem gefährdet", betonte der 60-Jährige, "es gibt noch immer kleine Beben und Nachbeben." Henrys, der in der ersten Regierung Jean-Bertrand Aristides das Amt des Gesundheitsministers bekleidete, forderte von Staatschef Préval die Einsetzung einer Kommission. Diese könne schon jetzt die Standortfrage eingehend studieren und entsprechende Vorschläge aufgrund von seismologischen Studien für die Zukunft von Port-au-Prince machen.

Angesichts der Katastrophe dürfe sich die Regierung nicht in Schweigen hüllen. Es bestehe Handlungsbedarf. Henrys, der das Amt von Regierungschefin Michèle Pierre-Louis bis zu deren Absetzung durch das Parlament vor zwei Monaten leitete, plädiert für einen radikalen Schnitt. Die Zerstörungen durch den Erdstoß seien so schwerwiegend, dass an einen einfachen Wiederaufbau nicht zu denken sei. Der heutige Standort der haitianischen Hauptstadt bleibe erdbebengefährdet.

Dazu komme, dass Armenviertel wie Cité LÉternel, Cité Soleil, Wharf Jérémie und Village du Dieulebt in ständiger Gefahr seien, nicht nur durch Erdbeben. Die Stadteile liegen direkt am Meer und sind auf morastigem Boden gebaut. Und selbst die wenigen Bauvorschriften seien wie im gesamten Land nicht eingehalten worden. "Jetzt gibt es die Möglichkeit, die Bewohner dieser Gegenden in sichere Gebiete umzusiedeln."

Das schwere Erdbeben hatte sich nach Meinung von Daniel Henrys schon angekündigt. Der Azueï-See, der an der haitianischen Grenze endet, sei im letzten Jahr erheblich angestiegen. Einige haitianische Wissenschaftler bringen den Wasserspiegelanstieg mit den Verschiebungen der Erdplatten zusammen. "Es gab viele Signale, aber sie sind nicht beachtet worden."

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