Ressource Wasser als Zankapfel

ZENTRALASIEN Tadschikistan will Wasserkraftwerk zur Energiegewinnung bauen. Usbekistan ist dagegen – aus Furcht, seine Baumwollfelder nicht ausreichend bewässern zu können

Dem zentralasiatischen Land am Pamirgebirge droht der Energieinfarkt

VON MARCUS BENSMANN

Der Wasserkonflikt in Zentralasien verschärft sich. Tadschikistan plant den Bau des Wasserkraftwerks Rogun zur Energiegewinnung am Oberlauf des Amudarjas. Usbekistan am Unterlauf des Stromes sorgt sich um den Wasserzufluss in die zentralasiatische Ebene.

Taschkent will den Bau in Tadschikistan verhindern. Das machte der usbekische Premierminister Schawkat Mirsijojew in einem offenen Brief vom 3. Februar an seinen tadschikischen Amtskollegen unmissverständlich deutlich. Darin fordert Mirsijojew den Baustopp von Rogun bis zur Fertigstellung einer Expertise der Vereinten Nationen. Nur nach einem positiven Befund dürfe „der Bau fortgesetzt werden“.

Tadschikistan gibt seit Januar Volksaktien aus, um den Bau von Rogun zu finanzieren. Der Zerfall der Sowjetunion und der tadschikische Bürgerkrieg stoppten die Bauarbeiten für eines der weltweit größten Wasserkraftwerke mit einer geplanten Kapazität von 3,8 Millionen Kilowattstunden. Ein mehr als 300 Meter hoher Damm sollte dafür gebaut werden. Der Fluss fließt weiter durch Usbekistan und Turkmenistan in den schrumpfenden Aralsee. 2004 versprach der damalige russische Präsident Wladimir Putin, das Kraftwerk in Tadschikistan fertig zu bauen.

Seither arbeitet Usbekistan gegen Rogun. Der dortige Baumwollanbau dürstet nach Wasser. Über 58 Prozent der regionalen Wasserreserven benötigt die Bewässerung, ein Großteil davon verdunstet und versickert in dem verrotteten Kanalsystems.

Taschkent hatte Erfolg, Russland ruderte zurück. Das usbekische Veto schreckt auch andere Investoren ab. Für den tadschikischen Präsidenten Emomalii Rahmon ist Rogun jedoch „eine Frage von Leben und Tod“. Im Winter friert ein Großteil der Bevölkerung in kalten und dunklen Wohnungen. Dem zentralasiatische Land am Pamirgebirge droht der Energieinfarkt.

Usbekistan dreht dem Land den Gashahn zu und ist 2009 aus dem gemeinsamen Energienetz für Zentralasien ausgetreten. Tadschikistan ist daher von anderen Stromlieferungen abgeschnitten. Das wirtschaftlich darniederliegende Land plant das über eine Milliarde teure Projekt in einem nationalen Kraftakt zu stemmen.

Der usbekische Regierungschef beschwört schon die Sintflut. Der Damm liege in einem Erdbebengebiet. „Das Ausmaß einer humanitären Katastrophe mit möglichen 100.000 Toten ist nicht vorstellbar“, schreibt Mirsijojew. Da Tadschikistan die Einwände „ignoriere“, werde die usbekische Regierung die internationale Staatengemeinschaft anrufen.

Usbekistan spekuliert als wichtiges Transitland für den Nato-Einsatz in Afghanistan auf die Unterstützung des Westens. Die Forderung nach einem Baustopp befinde sich im Einklang mit dem internationalen Recht, den Vereinten Nationen und der EU, schreibt Mirsijojew.

In Brüssel sieht man das etwas anders. Die EU sei weder für noch gegen Rogun. Die EU verlange nur für den Fall eine Expertise, wenn Europa das Projekt finanziell unterstützen wolle. „Es gibt im Völkerrecht kein zwingendes Verfahren, eine Lösung in einem Wasserkonflikt durchzusetzen“, sagt Nele Matz-Lück vom Max-Planck-Institut für Völkerrecht. Staaten müssten derartige Probleme bilateral lösen.

Tadschikistan sei dazu auch bereit, sagt ein Mitarbeiter des Instituts für strategische Studien in Duschanbe, doch dann müsse auch über die Wasserverschwendung in Usbekistan geredet werden. „Der Bau von Rogun geht weiter“, sagt der Tadschike.

Das Ringen um das Wasserkraftwerk in Tadschikistan könnte über den diplomatischen Schlagabtausch hinausgehen. Die usbekische Regierung gewährt seit Jahren dem tadschikischen Putschisten Machmud Chuderberdijew samt Kämpfern Unterschlupf. 1998 hatte dieser von Usbekistan aus die tadschikische Nordprovinz Leninabad mit Panzern überfallen. Der Oberst wurde 2001 für tot erklärt, der taz-Mitarbeiter hatte ihn jedoch 2003 und 2004 lebend in Taschkent angetroffen.