Belgien übernimmt EU-Vorsitz: Die Kompromiss-Experten

Das regierungslose Belgien übernimmt am Donnerstag für sechs Monate den Vorsitz in der EU. Das muss überhaupt nicht schlecht sein für Europa.

Den wenigsten dürfte dieses Gesicht bekannt sein: EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Belgier. Bild: ap

BRÜSSEL taz | Wenn das Königreich Belgien am Donnerstag den Vorsitz in der Europäischen Union für sechs Monate übernimmt, dann stellen sich gleich mehrere Fragen: Wieso gibt es diesen rotierenden Ratsvorsitz überhaupt noch, wo doch durch die Lissabon-Reform die politische Verantwortung in der EU klarer strukturiert und langlebiger werden sollte? Und kann ausgerechnet ein Land wie Belgien, das so tief in einer innenpolitischen Krise steckt, die schwerwiegenden Probleme Europas lösen helfen?

Auch die belgischen Politiker stellen sich zwei Wochen nach einer Wahl, die dem Land monatelange Koalitions- und Reformverhandlungen bescheren wird, genau diese Fragen. Und sie finden darauf eine typisch belgische Antwort: Die Regierungskrise in seinem Land sei fast ein Glücksfall für die EU, behauptet der kommissarische Ministerpräsident Yves Leterme. Sie habe dafür gesorgt, dass sich rechtzeitig vor der Wahl am 13. Juni Flamen, Wallonen, deutschsprachige Gemeinschaft, Region Brüssel und Zentralregierung auf ein Arbeitsprogramm für die kommenden sechs Monate, auf einen Terminkalender und auf die Verteilung der Rollen hätten einigen müssen.

Aus Letermes Sicht wäre es für die EU am besten, wenn vor Ende der Ratspräsidentschaft am 31. Dezember keine neue Regierung mehr zustande käme. Dann könnten sich die kommissarisch im Amt verbliebenen Minister der alten Föderalregierung als ehrliche Makler im Sinne der EU betätigen. Politikbereiche wie Landwirtschaft, Tourismus oder Umwelt, für die in Belgien ausschließlich die Regionen zuständig sind, werden von Ministern der Regionalregierungen geleitet. So führt beim Treffen der Tourismusminister Isabelle Weykmans Regie, die in der 80.000 Einwohner zählenden deutschsprachigen Gemeinschaft dieses Ressort führt.

Der Ministerpräsident des deutschsprachigen Ostbelgien formulierte es gestern im kleinen Kreis so: "Weder Leterme noch der belgische Außenminister werden einen langen Schatten auf den ständigen Ratspräsidenten oder die Außenministerin der EU werfen. Das ist der womöglich nachhaltigste Beitrag der belgischen Ratspräsidentschaft für die nächsten fünfzehn Jahre europäischer Einigung."

Die gestern beendete spanische Ratspräsidentschaft hat dagegen wenig getan, um den Lissabonvertrag mit Leben zu erfüllen. Stattdessen versuchte Ministerpräsident Louis Zapatero, sich neben dem Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, der Außenministerin Catherine Ashton und Kommissionspräsident Manuel Barroso bildfüllend in Szene zu setzen. Genützt hat es ihm nicht viel. Das von den Spaniern stolz angekündigte Gipfeltreffen mit US-Präsident Barack Obama wurde von den Amerikanern abgesagt, weil nicht ganz klar sei, wer in Europa seit der Lissabon-Reform die Entscheidungen treffe. Das dürfte in den kommenden sechs Monaten deutlicher werden. Dabei hilft der Umstand, dass Ratspräsident Herman Van Rompuy selbst Belgier ist.

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