Die Bundespolizei soll ohne Richterspruch schnüffeln

USA Das Weiße Haus will die Kompetenzen der Bundespolizei FBI zur Dateneinsicht ausweiten

Senator Patrick Leahy sieht „eine ernsthafte Gefahr für den Datenschutz und die Bürgerrechte“

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Die US-Bundespolizei FBI verfügt in diesem Jahr über ein Budget von 7,9 Milliarden US-Dollar. Weltweit stehen (offiziell) 40.000 AgentInnen in ihrem Dienst. Mit durchwachsenem Erfolg schnüffeln sie für die Sicherheit der USA vor äußeren und inneren FeindInnen. Jetzt will die Verwaltung von Präsident Barack Obama, der angetreten war, die BürgerInnenrechte in den USA zu verteidigen, die Möglichkeiten der Einblicke des FBI in das Privatleben der Menschen weiter ausdehnen: Internet- und Handy-Anbieter sollen verpflichtet werden, die Kontakte ihrer KundInnen an die SchnüfflerInnen weiterzugeben. Auch ohne richterliche Entscheidung.

Offiziell gilt diese Ausweitung der Kompetenzen des FBI lediglich als minimale technische Anpassung. „Wir wollen Unklarheiten beenden“, sagt Dean Boyd, Sprecher des Justizministeriums in Washington: „es geht nicht darum, zusätzliche Kategorien von Informationen einzuholen“. KritikerInnen, wie der demokratische Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Patrick Leahy, hingegen sehen „eine ernsthafte Gefahr für den Datenschutz und die Bürgerrechte“. Leahy setzt sich für eine „Auszeit“ bei der Internet-Schnüffelei des FBI ein. Das gegenwärtig vorhandene legale Instrumentarium zur Nachrichtenermittlung reicht seines Erachtens aus. Die Nichtregierungsorganisation „Electronic Frontier Foundation“ geht noch etwas weiter in ihrer Kritik. „Das FBI will eine Belohnung für schlechtes Benehmen“, erklärt ihr Sprecher.

Das FBI stellt längst Briefe aus, die die Elektronik-AnbieterInnen auffordern, Kontakte und Bewegungsdaten von KundInnen weiterzugeben. „National Security Letter“ (NSL) heißen diese Briefe in der Fachsprache. Zwischen 2003 und 2006 stellte das FBI insgesamt 192.499 solcher NSLs aus. Angesichts jener Praxis sprach bereits im Jahr 2007 ein Untersuchungsbericht des Justizministeriums von einem „weit verbreitetem Amtsmissbrauch“.

Mit einem „National Security Letter“ kann ein einzelner FBI-Mitarbeiter die Herausgabe von ganz privaten Daten erhalten: die E-Mail-Adressen, die einE KundIn angeschrieben hat. Den Überblick über Webseiten, die jemand angesurft hat. Die Liste der Geldoperationen im Internet, die jemand getätigt hat. Oder ein „Bewegungsbild“, das mithilfe der Daten, über die Handy-AnbieterInnen verfügen, zusammengestellt wird. Bislang muss eigentlich eine richterliche Entscheidung einen „National Security Letter“ an Internet- und Handy-Provider begleiten. Ohne solche Gerichtsentscheide lehnen manche Provider in den USA die Weitergabe der Informationen ab. Andere geben die Daten ohnehin weiter. Sollte sich jedoch das Ansinnen der Regierung durchsetzen, wird künftig auch formal kein richterlicher Entscheid mehr nötig sein. Wenn Eile geboten ist, reicht es dann, wenn eineR der 13.500 „Special Agents“ des FBI einen „National Security Letter“ erstellt. Ohne jede externe Kontrolle.

Die KritikerInnen argumentieren, nicht nur steige das FBI mit der geplanten Neuregelung tiefer in das Privatleben der BürgerInnen ein, sondern auch richterliche Befugnisse würden weiter ausgeschaltet. Gregory Nojeim, Direktor der auf Internet und Datenschutz spezialisierten Gruppe „Project on Freedom, Security and Technology“, erklärt dazu: „Die Auswirkungen dieses Vorschlags wären, dass niemand außerhalb des FBI einschätzen kann, ob die Ermittlungsmethoden angemessen sind.“

Bevor der Kongress im Herbst über den Vorstoß berät, wollen die KritikerInnen Hearings abhalten. Senator Leahy will dabei zwei Interessen gegeneinander abwägen. „Einerseits braucht die Regierung Werkzeuge, um unsere Sicherheit zu garantieren“, sagt er, „andererseits brauchen die Amerikaner Schutz gegen das Eindringen in ihr elektronisches Privatleben.“

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