Kenias neue Verfassung mit kleinem Geburtsfehler

KENIA Der Festakt in Nairobi wird von der Teilnahme von Sudans Präsident Omar al-Bashir überschattet

NAIROBI taz | Kenias Präsident Mwai Kibaki nahm den Mund ordentlich voll. Beim Staatsakt in Nairobis Innenstadt, bei dem er am Freitag die neue Verfassung des Landes in Kraft setzte, sprach er von der Geburtsstunde einer neuen Republik. „Dies ist der wichtigste Tag in unserer Geschichte seit der Unabhängigkeit“, erklärte Kibaki vor zehntausenden Bürgern. Doch während Kibaki die Anfang August in einem Volksentscheid beschlossene Verfassung als „Ausdruck unserer Ideale und Werte“ feierte, trauten Menschenrechtler ihren Augen nicht. Unter den Staatsgästen befand sich Sudans Präsident Omar al-Bashir, der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit Haftbefehl gesucht wird.

Von einem Affront spricht Njonjo Mue, Geschäftsführer des „International Centers for Transitional Justice“ in Kenia. „Die Hofierung al-Bashirs ist genau die Art von Straflosigkeit, der mit der neuen Verfassung ein Ende gemacht werden soll.“ Nicht nur als Unterzeichner des IStGH-Statuts, auch nach der neuen Verfassung sei Kenia verpflichtet, al-Bashir an Den Haag auszuliefern. „Wenn das nicht geschieht, ist das eine Beleidigung des ganzen kenianischen Volkes.“

Mit seiner Kritik steht Mue nicht allein da. „Al-Bashirs Teilnahme ist ein Schandfleck auf einem ansonsten guten und zurecht fröhlichen Tag“, urteilt Apollo Mboya, Chef der „Law Society of Kenya“. Die Regierung habe Kernwerte der Verfassung wie Integrität, Menschenrechte und Transparenz bereits am ersten Tag verletzt. „Ich war als Gast zu den Feierlichkeiten geladen, aber als ich al-Bashir ankommen sah, habe ich auf dem Absatz kehrtgemacht und bin nach Hause gefahren.“

Al-Bashir hingegen lachte fröhlich auf der Tribüne in die Kameras, während er zum Abschluss der Zeremonie Ballons in den grauen Himmel steigen ließ. Während er sich vor einem Monat offenbar aus Angst vor Verhaftung nicht getraut hatte, zum Gipfel der Afrikanischen Union in Uganda zu reisen, wähnte er sich diesmal sicher.

Seit der Internationale Strafgerichtshof im März 2009 erstmals Haftbefehle gegen al-Bashir wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westsudanesischen Darfur-Region erlassen hat, ist es nicht gelungen, ihn festzunehmen. Mitte Juli wurde ein weiterer Haftbefehl wegen Völkermords erlassen. Al-Bashir weist alle Vorwürfe zurück.

Mit Sorge beobachten Juristen al-Bashirs Besuch auch deshalb, weil IStGH-Chefankläger Luís Moreno Ocampo derzeit wegen der Gewalt nach den Wahlen Ende 2007 in Kenia ermittelt. Mehr als 1.300 Menschen kamen ums Leben, als Drahtzieher werden hochrangige Politiker und Geschäftsleute vermutet. Bislang hat Kenia volle Kooperation mit dem Strafgerichtshof zugesichert. MARC ENGELHARDT

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