Referendum über die Teilung des Sudan: Offene Hetze

Dass die Südsudanesen für die Unabhängigkeit stimmen, ahnen selbst die Hardliner der Regierung Bashir. Nun überlegen sie, wie sie damit umgehen sollen.

Protestieren für eine Teilung: Südsudanesen in Khartum. Bild: dpa

KHARTUM taz | Der Gatte im Norden versucht es noch zu verdauen, die Ehepartnerin im Süden kann es kaum abwarten - die sudanesische Scheidung. Am 9. Januar 2011 werden die Südsudanesen sie wahrscheinlich einreichen, wenn sie in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit abstimmen.

Die Angst ist groß, dass es eine schmutzige Scheidung wird, dass die Regierung unter Präsident Omar Hassan al-Bashir im Norden das Referendum torpedieren oder das Ergebnis nicht anerkennen könnte. Streit ist auch vorgezeichnet: Das Verteilen der Erdöleinnahmen und der Konflikt darüber, wer die Grenzprovinz Abyei verwaltet, in der es ebenfalls um Erdöl, vor allem aber um Weiderechte geht. Selbst die Grenze zwischen beiden künftigen Staaten ist noch nicht ausgehandelt.

Zumindest im Moment macht die Regierung im Norden noch gute Miene zum bösen Spiel. "In Zukunft geht es darum, Brücken und nicht eine Mauer zwischen uns im Norden und denen im Süden zu bauen", sagt Außenminister Ali Karti in Khartum zur taz. "Beide Seiten brauchen einander. Und genau diese Abhängigkeit muss jetzt mit Abkommen im politischen, im wirtschaftlichen und im Sicherheitsbereich festgezurrt werden."

Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir hat angekündigt, nach der Abspaltung Südsudans den Rest des Landes in einen islamischen Staat zu verwandeln. "Wenn der Süden geht, wird die Verfassung verändert und viele Dinge, die den Süden betreffen, werden verschwinden: das komische Gerede, das sudanesische Volk sei multiethnisch und multireligiös. Die Scharia wird die Hauptquelle des Rechts und Arabisch wird die Amtssprache", sagte der Staatschef. Er reagierte auf breite Kritik an der Auspeitschung einer Sudanesin durch lachende Polizisten letzte Woche. "Der Fall ist erledigt", sagte er dazu. Heute sollen die Präsidenten Libyens und Ägyptens in Khartum eintreffen, um mit Bashir über die Zukunft des Sudan zu beraten. Am 9. Januar 2011 stimmen die Südsudanesen über die Unabhängigkeit Südsudans ab. Südsudanesische Politiker sagen, nur bei einer Abschaffung der Scharia könnten die mehrheitlich christlichen Südsudanesen für den staatlichen Zusammenhalt stimmen.

Selbst der Hardliner Nafi Ali Nafi, Bashirs Stellvertreter, scheint Kreide gefressen zu haben. "Wir als Regierung sind bereit, das Ergebnis des Referendums zu akzeptieren, wenn es frei und transparent ist und wenn es die Meinung der Menschen aus dem Süden zum Ausdruck bringt", sagt er.

Dieser Satz verdeutlicht die Ambivalenz der Regierung in Khartum. Offiziell steht sie hinter dem Referendum, das in einem Friedensabkommen mit dem Süden nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg und geschätzten 2,5 Millionen Toten vor sechs Jahren beschlossen wurde. Zugleich bleibt ein Hintertürchen offen, um Transparenz und Fairness des Referendums infrage zu stellen, falls das Ergebnis nicht nach dem Geschmack des Nordens ist.

Und so hört man in Khartum immer wieder: "Wir hoffen noch auf eine Überraschung und eine Entscheidung für die Einheit, aber wir bereiten uns auf die Trennung vor." Inoffiziell hat sich die Regierung mit der Abspaltung des Südens abgefunden, wenngleich die staatlichen Medien die Einheit propagieren. "Was immer bei dem Referendum herauskommt, wir müssen es akzeptieren, auch wenn es die Trennung bedeutet", sagt ein hoher Regierungsbeamtert.

Bleibt das Problem, was mit den hunderttausenden Südsudanesen geschehen soll, die im Norden leben, vor allem in Khartum. Hier gibt sich der Beamte unnachsichtig: Jahrelang hätte sich die Südsudanesen beschwert, dass sie im Norden Bürger zweiter Klasse seien, was sei also das Problem, wenn sie jetzt ihre Staatsbürgerschaft verlieren und gehen, fragt er. Informationsminister Kamal Obeid sprach unlängst offen davon, dass die Südsudanesen im Norden ihre Bürgerrechte verlieren, sollte das Referendum mit einer Trennung enden. Selbst die Behandlung in Krankenhäusern könnte ihnen dann verweigert werden.

Das alarmiert die Südsudanesen, die in den Kaffeehäusern auf der Straße der Republik im Zentrum Khartums nach Feierabend Nachrichten austauschen. Manche wollen zurück in ihre alte Heimat, andere haben sich ein neues Leben im Norden aufgebaut. Auf einem niedrigen Holzschemel zwischen alten Arkaden sitzt Carlo James. Der Kirchenangestellte lebt seit 20 Jahren in Khartum. Im Moment ist er stinksauer: nicht nur auf die Regierung im Norden, die ihm möglicherweise bald die Staatsbürgerschaft entzieht, sondern auch auf die Regierung der SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) im Süden. "Die einen reden von Einheit, die anderen von Unabhängigkeit und beide haben nichts unternommen, um das eine oder andere attraktiv zu machen", schimpft er.

James hat sich noch nicht entscheiden, ob er in den Süden zurückkehrt. Sorge macht ihm, dass die Politiker des Nordens offen gegen die Südsudanesen in Khartum hetzen. "Die Stimmung auf der Straße wird immer feindlicher und kann jeden Moment kippen", warnt er. "Aber was soll ich im Süden?", fügt er hinzu. "Dort gibt es nichts, keine Arbeit, keine Straßen, keine Krankenhäuser und keine Schulen, auf die ich meine vier Kinder schicken möchte."

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