Deutsche Schützenhilfe für Despoten

MILITÄRAUSBILDUNG Fünf Usbeken werden in Bundeswehreinrichtungen geschult. Ziel: die Entwicklung demokratisch orientierter Streitkräfte. Die Realität in Usbekistan hat mit Demokratie nichts zu tun

BERLIN taz | Die Bundeswehr bildet nach wie vor für Despotenstaaten Soldaten aus. „Zurzeit befinden sich fünf usbekische Soldaten für eine Schulung in Einrichtungen der Bundeswehr“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Auch Soldaten anderer zweifelhafter Regime kommen in den Genuss einer derartigen Ausbildung. Im Februar 2010 berichtete das Politmagazin „Fakt“, dass der Juntachef aus Guinea, Moussa Dadis Camara, in Deutschland geschult wurde und die Bundeswehr weiter Soldaten aus der afrikanischen Diktatur ausbildet.

Das Ziel der militärischen Ausbildungshilfe (MAH) sei „die Entwicklung demokratisch orientierter Streitkräfte“, erklärt das Bundesverteidigungsministerium. Zudem soll die MAH Verbindungen zu Staaten stärken, „deren Stabilität im deutschen Interesse liegt“. Die erste Absicht des Programms wurde bei Usbekistan und Guinea jedoch verfehlt.

Die MAH mit Usbekistan hat 1994 begonnen. 165 usbekische Soldaten durchliefen seither in Deutschland Schulungen der Bundeswehr. Usbekistans Präsident Islam Karimow zeigt jedoch kein Interesse an „demokratisch orientierten Streitkräften“. In dem zentralasiatisch Staat an der Grenze zu Afghanistan gab es 1994 noch Ansätze einer Zivilgesellschaft. Heute sind diese restlos zerschlagen. Tausende Menschen sitzen wegen ihrer politischen und religiösen Überzeugungen in Gefängnissen ein.

Systematische Folter

Journalisten, Menschenrechtler und Oppositionelle werden verfolgt, verhaftet oder gar ermordet. Folter wird in Usbekistan nach UN-Angaben „systematisch“ angewandt. Am 13. Mai 2010 jährt sich der fünfte Jahrestag des Massakers von Andischan, als usbekische Uniformierte einen Volksaufstand niederschossen und nach Schätzungen von Menschenrechtsgruppen bis zu 500 Menschen töteten. Zwischen 2005 und 2009 bestand wegen der „Ereignisse in Andischan“ ein EU-Waffenembargo gegenüber Usbekistan.

Die Frage, ob die Ausbildung usbekischer Soldaten durch die Bundeswehr während dieses EU-Embargos ausgesetzt wurde, konnten weder das Verteidigungsministerium noch das Auswärtige Amt bis Redaktionsschluss beantworten. Eine Weiterführung der Ausbildung usbekischer Soldaten hätte aber dem Geist des EU-Waffenembargos widersprochen, sagt Andrea Berg von Human Rights Watch.

Das Auswärtige Amt verteidigt die MAH mit Usbekistan. „Gleichzeitig setzen wir in den bilateralen Beziehungen auf den offenen Dialog, um langfristig zur Veränderung in Usbekistan beitragen zu können“, sagt dessen Sprecher.

Rückendeckung erhält das Auswärtige Amt von dem Bundestagabgeordneten Rainer Arnold (SPD). „Es bringt nichts, die Schotten dichtzumachen“, sagt Arnold, der Mitglied des Verteidigungsausschusses ist. Die Usbeken würden in Deutschland nicht das Kriegshandwerk erlernen, sondern in „innerer Führung“ ausgebildet. Zudem sei Deutschland, so der SPD-Bundestagabgeordnete, wegen der Bundeswehrbasis im usbekischen Termes, von der der Afghanistaneinsatz koordiniert wird, auch auf Usbekistan angewiesen.

Neue Sanktionen gefordert

Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) hält die Zielsetzung des MAH mit Usbekistan für „Hohn“. „Streitkräfte können nur so demokratisch und menschenrechtlich orientiert sein, wie die politische Führung, die ihren Auftrag definiert“, sagt Beck und plädiert für die erneute Verhängung von EU-Sanktionen gegen Usbekistan. Seine Fraktionskollegin Katja Keul fordert die „regelmäßige Überprüfung“ der Partnerländer der MAH. „Kommt es zu Verletzungen der Menschenrechte, muss die Ausbildungsunterstützung unverzüglich und kompromisslos abgebrochen werden“, sagt sie.

MARCUS BENSMANN