Ostasiens Fronten formieren sich

KOOPERATIONEN Unter dem Eindruck von Chinas Aufrüstung und seiner Unterstützung für Nordkorea rücken Japan und Südkorea trotz alter Vorbehalte militärisch enger zusammen

Für viele Südkoreaner ist eine Militärkooperation mit Japan noch nicht vorstellbar

AUS TOKIO MARTIN FRITZ

Die Verteidigungsminister Japans und Südkoreas haben erstmals über eine bilaterale Kooperation auf „höherem militärischem Niveau“ verhandelt. In Seoul einigten sich Toshimi Kitazawa und Kim Kwan Jin am Montag auf eine „gemeinsame Verständigung“ über Abkommen zur gegenseitigen Versorgung ihrer Streitkräfte mit Nachschub und über den Schutz von Militärgeheimnissen. Zuvor hatten erstmals Beobachter beider Seiten an Manövern der anderen Streitkräfte mit den USA teilgenommen.

Seoul hat solche Abmachungen zwar schon mit vielen anderen Ländern getroffen, doch Japan ist ein besonderer Fall, weil es Korea von 1910 bis 1945 als Kolonie besetzt hatte. Nach südkoreanischen Angaben wurden dabei 176.000 Koreaner als Zwangsarbeiter, Soldaten und Sexsklaven missbraucht. Japans Premier Naoto Kan äußerte im August zum 100. Jahrestag der Besetzung zwar „tiefes Bedauern“, aber eine Entschädigung für die Opfer bleibt strittig. Wegen dieses historischen Erbes und der Rivalität auf dem Auto- und Elektronikmarkt achtete Seoul daher bislang auf Abstand.

Auslöser des Umdenkens sind der Artillerieangriff Nordkoreas auf eine südkoreanische Insel im November sowie Chinas immer machtbewussteres Auftreten. Trotz seines offiziellen Pazifismus hatte Japan im Dezember seine Sicherheitspolitik auf „aktive Verteidigung“ ausgerichtet. Das offizielle Strategiepapier nennt jetzt erstmals explizit China und Nordkorea als mögliche Gegner und beschreibt die Allianz mit den USA „unabdingbar“. Mit Südkorea und Australien will Japan enger kooperieren.

Künftig wird Nippon nicht mehr wie während des Kalten Krieges im Norden gegen Russland verteidigt, sondern an der Südwestflanke des japanischen Archipels. Dort liegen die Nansei-Inseln mit den Senkaku-Eilanden. Sie werden von Japan kontrolliert, aber von China beansprucht. In dortigen Gewässern war im September ein chinesisches Fischerboot mit einem Schiff der japanischen Küstenwache kollidiert. Auf die Festnahme der Fischer hatte Peking mit einem Ausfuhrverbot von Spezialmetallen für Japans Elektronikindustrie reagiert.

Im Hintergrund werden Seoul und Tokio auch von ihrem gemeinsamen Partner USA zur Sicherheitskooperation gedrängt. US-Generalstabschef Mike Mullen schlug sogar gemeinsame Militärmanöver aller drei Staaten vor. Japanische Medien spekulierten, schon im Frühjahr könnten Seoul und Tokio eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen unterzeichnen.

Doch so weit ist Südkorea noch nicht. Das verstoße gegen Japans pazifistische Verfassung, redete man sich in Seoul heraus. In Wahrheit können sich viele Südkoreaner eine direkte militärische Kooperation mit Japan noch nicht vorstellen. Konservative Zeitungen wie Chosun Ilbo spielten daher die Bedeutung des Ministertreffens herunter. Die links orientierte Zeitung Hankyoreh warnte davor, mit solchen Manövern Nordkorea und China zu verärgern.

Doch entlang dieser Linie formieren sich die Fronten in Ostasien. Laut Defense Review vom Februar 2010 sieht das Pentagon Chinas wachsende Militärmacht als Bedrohung der US-Dominanz im Westpazifik. China hat mit offiziell 78 Milliarden Dollar nicht nur den zweitgrößten Militäretat der Welt, Sorgen bereitet Washington auch Chinas Entwicklung von neuen Superwaffen, darunter Tarnkappenbomber und Raketen gegen Flugzeugträger. „Wir müssen darauf mit eigenen Programmen reagieren“, erklärte US-Verteidigungsminister Robert Gates vor seinem Peking-Besuch am Montag.