Absturz der polnischen Präsidentenmaschine: Mit 0,6 Promille nach Smolensk

Abschlussbericht zum Absturz der polnischen Präsidentenmaschine 2010 in Smolensk: Der angetrunkene Luftwaffenchef hatte vor dem Absturz die Piloten unter Druck gesetzt.

Wrack der abgestürzten Präsidentenmaschine Tupolev Tu-154. Bild: reuters

WARSCHAU taz | Der angetrunkene Luftwaffenchef Polens, General Andrzej Blasik, sei schuld an der Flugzeugkatastrophe vom April 2010, bei dem Polens Präsident und 95 weitere Menschen im westrussischen Smolensk ums Leben kamen. Er habe die Piloten trotz dichten Nebels zur Landung gezwungen. Zu diesem Schluss kam die internationale Luftfahrtkommission (MAK) in Moskau, die gestern den Abschlussbericht zu den Unfallursachen vorstellte. Polens Premier Donald Tusk erklärte: "Der Bericht ist absolut inakzeptabel."

Die MAK-Vorsitzende Tatjana Anodina stellte die Ursachenkette vor, die zum Absturz führte. Der Flug sei schlecht vorbereitet gewesen. Die Piloten hätten vor dem Start keine Informationen über die Wetterbedingungen in Smolensk gehabt und nicht geklärt, auf welchem Ausweichflughafen sie landen könnten. Obwohl sie im Laufe des Flugs die fehlenden Informationen aus Smolensk erhielten, blieben die Piloten auf Kurs.

Die Fluglotsen warnten mehrfach vor dem dichten Nebel in Smolensk, der eine Landung unmöglich erscheinen lasse. Aber, so betonte Anodina, bei außerordentlichen staatlichen Flügen, und um einen solchen habe es sich bei dem Flug des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski gehandelt, liege die Entscheidungshoheit allein bei den Piloten.

Diese hätten wissen müssen, dass es auf dem Militärflughafen von Smolensk kein Flugleitsystem wie auf Zivilflughäfen gab. Ohne ein solches System ist bei dichtem Nebel ein Landemanöver im Blindflug unmöglich. Die MAK zeigte bei der Konferenz die filmische Rekonstruktion des Fluges und blendete in Echtzeit die Gespräche zwischen Piloten und Lotsen ein, die der Flugschreiber aufgezeichnet hatte.

Der Protokollchef, dem die Piloten mitteilen, dass der Nebel eine Landung unmöglich machen würde, informiert den Präsidenten. Dieser entscheidet nicht, welchen Ausweichflughafen die Piloten ansteuern sollen. Daraufhin stöhnt der erste Pilot Arkadiusz Protasiuk: "Ich weiß nicht, wenn wir nicht landen, wird er mir den Kopf abreißen."

Protokollchef Mariusz Kazana fordert die Piloten auf, die "psychologischen Reserven zu mobilisieren". Als im Cockpit Luftwaffenchef General Blasik erscheint, steigt der Druck auf die Piloten und den Navigator, der noch dazu nicht ausreichend Russisch spricht, um die Höhenangaben aus dem Tower zu verstehen.

"Im Blut von General Blasik wurden 0,6 Promille Alkohol entdeckt", erklärt Anodina. Seine Risikoeinschätzung sei herabgesetzt gewesen. Er habe die Vorschriften einer "sterilen Kabine" verletzt. Sie verböten die Anwesenheit von Passagieren im Cockpit bei der Landephase.

Anodina zufolge seien weder die primitive Ausstattung des Militärflughafens in Smolensk, das fehlerhafte Radarsystem, noch das Verhalten der Fluglotsen entscheidend für den Unfall gewesen. Die Piloten wussten, dass eine russische Maschine wegen Nebels abdrehen und nach Moskau zurückfliegen musste.

Die polnischen Piloten kreisten mehrmals über dem Flughafen, informierten nicht über den Landeanflug, bekamen infolgedessen auch keine Landegenehmigung. Sie verließen sich allein auf die Instrumente an Bord, ignorierten aber nicht nur die Warnungen der Lotsen, sondern auch die des Warnsystems an Bord. Als dieses am Ende "Pull up! Pull up" meldete, versuchte der Pilot die Tupolew 154 noch hochzureißen - zu spät.

Der Abschlussbericht berücksichtigt nur rund 20 Prozent der polnischen Anmerkungen, da diese sich in erster Linie mit der Schuldfrage beschäftigten, wie die MAK-Vorsitzende erklärte. Warschau hatte vor einem Monat seine Stellungsnahme zum vorläufigen Bericht der Russen nach Moskau geschickt. Dennoch, so Anodina, würden die polnischen Anmerkungen als integraler Teil des Abschlussberichts vollständig veröffentlicht.

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