Jemen: Präsidentschaft endlich

JEMEN Der Präsident will 2013 nicht mehr antreten. Die Opposition hält am „Tag des Zorns“ fest. Sie ruft zu einer Großdemonstration auf

„Wenn Mubarak stürzt, dann auch Saleh“

POLITIKWISSENSCHAFTLER ABDULLAH AL-FAKIH

SANAA/BERLIN rtr/afp | Unter dem Druck von Protesten hat der langjährige jemenitische Staatschef Ali Abdullah Saleh seinen Rückzug angekündigt. Er werde zur nächsten Präsidentenwahl 2013 nicht wieder antreten und auch seinen Sohn nicht ins Rennen schicken, sagte Saleh am Mittwoch vor Abgeordneten und Militärs. „Ich mache dieses Zugeständnis im Interesse des Landes. Die Interessen des Landes gehen vor.“ Saleh steht seit drei Jahrzehnten an der Spitze des ärmsten Staates auf der Arabischen Halbinsel.

Der Präsident forderte die Opposition auf, die für Donnerstag angekündigten Proteste abzusagen. Salehs Gegner lehnten das jedoch ab und bekräftigten ihre Demonstrationspläne. Die Bevölkerung müsse ihre Forderungen vorbringen können, erklärte die islamistische Islah-Partei, die zugleich Salehs Rücktrittsankündigung begrüßte. Die Opposition warte jedoch auf weitere konkrete Schritte. Wie in Tunesien und Ägypten war auch im Jemen die Bevölkerung auf die Straße gegangen und hatte den Rücktritt des Staatschefs gefordert.

Weite Teile des Landes begehren gegen seine Herrschaft auf. Der ehemalige sozialistische Süden fordert 20 Jahre nach der Vereinigung die Abspaltung. Auch den äußersten Norden hat Saleh gegen sich. In der Region Saada ist die mit den schiitischen Rebellen vereinbarte Waffenruhe brüchig. Die islamistischen Fundamentalisten haben sich von Saleh abgewandt und greifen seine Sicherheitskräfte an. Obwohl al-Qaida keinen großen Rückhalt in der Bevölkerung hat, sind die Terroristen zu einer ernsthaften Gefahr für die Stabilität des Landes geworden.

Noch kämpfen Salehs Gegner an verschiedenen Fronten. Wirklich gefährlich werde es für den Präsidenten erst, wenn die Demonstranten in Sanaa mit den Frustrierten im Süden und den schiitischen Rebellen im Norden gemeinsame Sache machten, meint der Politikwissenschaftler Gregory Johnsen von der US-Universität Princeton.

Saleh versucht, den wachsenden Widerstand mit Geldgeschenken und Versprechungen zu besänftigen. Er erhöhte den Sold der Soldaten und kündigte einen Fonds an, mit dem Stellen für arbeitslose Uniabsolventen geschaffen werden sollen. Das soll jene beschwichtigen, die vor allem wegen der wachsenden Armut und Perspektivlosigkeit auf die Straße gehen.

Angesichts mancher Freiheiten der Presse und einer florierenden Zivilgesellschaft galt der Jemen lange als demokratisches Musterland auf der Arabischen Halbinsel. Jemen sei im Vergleich zum früheren Tunesien immerhin „halbdemokratisch“, sagt die Chefredakteurin der englischsprachigen Yemen Times, Nadia al-Sakkaf. Das könne ein Grund dafür sein, dass dort die Revolution vorerst ausbleibe. Zudem sei ein Großteil der 23 Millionen Jemeniten – jeder Zweite ist Analphabet – mit dem nackten Überleben beschäftigt.

Doch die Opposition sei auch im Jemen entschlossen, den Druck nach und nach zu erhöhen, sagt der Politikwissenschaftler Abdullah al-Fakih von der Universität in Sanaa. Nach Fakihs Einschätzung hängt die Zukunft des Jemen entscheidend von der weiteren Entwicklung in Ägypten ab. „Wenn Mubarak stürzt, dann auch Saleh.“